Unternehmer und Parteien attackieren den Achtstundentag

Arbeitszeit braucht Grenzen

Von Volker Metzroth

Demnächst wird er hundert, der Achtstundentag, eine der Errungenschaften der Novemberrevolution. Wie alles, was die Arbeiterbewegung erkämpft hat, schmälert er den Profit. Nachdem die gewerkschaftliche Arbeiterbewegung nach den heftigen Kämpfen in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts um die 35-Stunden-Woche die Initiative verloren hat, hält das Kapital Zeitpunkt und Kräfteverhältnisse für günstig, auch rechtlich „aufzuräumen“. In der Praxis sind die durchschnittlichen acht, ausnahmsweise bis zu zehn Stunden tägliche Arbeitszeit oft keine wirklichen roten Linien mehr. Vorgeschickt von den Unternehmerverbänden wird der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga), der fordert, dass Gastronomen bis zu 12 Stunden täglich arbeiten lassen dürfen.

So scheut der Verband in seinem Bestreben, „arbeiten zu lassen, wenn Arbeit anfällt“, nicht davor zurück, Mitglieder als unfähig zur Planung des Personaleinsatzes darzustellen. Paradebeispiel ist die fiktive Hochzeitsgesellschaft, die um ein Uhr nachts kein Bier mehr bekommt, weil die Bedienung schon seit dem frühen Nachmittag arbeitet. „Mit seiner Forderung nach einer Ausweitung der täglichen Arbeitszeit auf bis zu 12 Stunden setzt der Dehoga die Gesundheit der im Gastgewerbe beschäftigten Menschen aufs Spiel,“ hält Burkhard Siebert, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) dagegen und sagt: „Auch diese Beschäftigten, die anderen gute Lebensqualität bieten, haben ein Recht auf Lebenszeit – deshalb gilt: Arbeitszeit braucht Grenzen!“

Oft scheint sie in der Wirklichkeit grenzenlos zu sein. So machte in Bad Kreuznach der Präsident des Dehoga in Rheinland-Pfalz und zugleich CDU-Funktionär Geron Haumann mit Arbeitsgerichtsprozessen Schlagzeilen: In Presseberichten ist die Rede von hunderten unbezahlter Überstunden und von angeblichen monatlichen Arbeitszeiten von bis zu 288 Stunden im Hotel des Verbandsfunktionärs. Das Arbeitsgericht soll das klären. In einem Zeitungsartikel über einen Strafprozess am selben Ort um eine gewalttätige Auseinandersetzung zwischen zwei chinesischen Köchen ist die Rede von 66 wöchentlichen Arbeitsstunden. Zudem lässt sich aus Presseangaben ein Stundenlohn von unter 6,50 Euro errechnen, weit unter dem gesetzlichen Mindestlohn. Sonderbar ist dabei, dass die Gewerbeaufsicht das Lokal kontrolliert hatte, die Unterbringung der Köche in einem Raum neben der Küche abstellte, in Sachen Arbeitszeit und Mindestlohn aber anscheinend nicht aktiv geworden ist. Der DGB-Kreis forderte die Aufsichtsbehörden auf, angesichts solcher Pressemeldungen mehr zu kon­trollieren.

Aber auch anderswo geht es offensichtlich um die Legalisierung alltäglicher Verstöße. So haben die sogenannten Wirtschaftsweisen den 8-Stundentag als nicht zeitgemäß bezeichnet. (vgl. UZ vom 17.11.) Es müsse doch legal sein, dass ein Beschäftigter außerhalb der Arbeitszeit mal an einer Telefonkonferenz teilnimmt oder nach Feierabend die dienstlichen e-Mails checkt. Nicht nur in der IT-Branche werden Arbeits- und Freizeit vermischt, werden nicht nur sehr oft unbezahlte Überstunden geleistet, sondern wird auch das Arbeitszeitgesetz verletzt. Bei CDU und FDP in Bund und Ländern ist die Bereitschaft groß, hier zu Diensten zu sein. Im Bundestag ist es einzig die Partei „Die Linke“, die dagegen hält.

„Bundesarbeitsministerin An­drea Nahles hat die Diskussion darüber eröffnet, ob die starren Vorgaben im Arbeitszeitgesetz gelockert und an die veränderte digitale Arbeitswelt angepasst werden müssen“, so RP-Online am 23. Juli 2015. Nach Meinung der jetzigen SPD-Fraktionsvorsitzenden könnten flexiblere Arbeitszeiten auch zum Vorteil der Beschäftigten sein. Die alltägliche Erfahrung lehrt aber, dass Flexibilisierung in der Praxis zur Anpassung der Arbeitszeiten an die Profitinteressen dient. Um hier Haltelinien einzuziehen, bedarf es nicht nur partikularer Forderungen nach zeitweiliger Teilzeit oder lebensphasenbestimmten Arbeitszeiten etc., sondern der Mobilisierung für gemeinsame Ziele wie die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich als neue Normalarbeitszeit.

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"Arbeitszeit braucht Grenzen", UZ vom 1. Dezember 2017



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