Beim Umbruch der Automobilindustrie dürfen die Beschäftigten nicht unter die Räder kommen

Arbeitsplätze sichern – Arbeitszeit verkürzen

Von Achim Bigus

Die Redaktion der IG Metall-Mitgliederzeitung „metallzeitung“ widmete in der letzten Ausgabe (Oktober/November 2018) die Seiten 12 bis 15 („In Zeiten des Wandels“) der „Transformation“ als zentralem Thema des nächsten Gewerkschaftstages 2019. Zwei der dort angesprochenen Themen behandeln besondere Herausforderungen für die Beschäftigten der Automobilindustrie und ihre Arbeitsplätze.

„Digitalisierung + Industrie 4.0“: „Industrie 4.0, verstanden als digitale Vernetzung von Maschinen über den gesamten Produktions- und Wertschöpfungsprozess hinweg“ wird nicht nur „Tätigkeitsprofile und Qualifikationsanforderungen … gravierend ändern“, sondern voraussichtlich auch das zur Fertigung einer gegebenen Stückzahl von Autos erforderliche Volumen menschlicher Arbeit drastisch reduzieren. Schon heute produzieren etwa gleich viele Autobauer wie vor fünfzig Jahren etwa doppelt so viele Autos – dank vergangener Rationalisierungswellen, wie sie mit Fließband, Industrierobotern oder CNC-Maschinen verbunden waren.

„Klimapolitik + Mobilität“: Auch eine „Mobilitätswende“, die ausschließlich darin besteht, dass „mehr Elektrofahrzeuge als gegenwärtig auf den Straßen fahren“, reduziert die Autojobs. Die „metallzeitung“ zitiert eine Studie, wonach „um 2030 rund 76 000 Arbeitsplätze in der Antriebstechnik überflüssig werden“ könnten, und fordert völlig zu Recht, „den Umbruch, vor dem die Autobranche steht, so zu gestalten, dass die Beschäftigten nicht unter die Räder kommen“ (Oktober/November 2018, S. 14).

In den siebziger und achtziger Jahren hatte die IG Metall die „dritte industrielle Revolution“ (Roboter, CNC-Maschinen) mit der Forderung nach der 35-Stunden-Woche beantwortet. Diese wurde auf dem Gewerkschaftstag 1977 beschlossen – nach durchaus kontroversen Diskussionen und gegen den Willen des damaligen Vorstandes. In einer langen, harten Tarifauseinandersetzung konnte die IG Metall 1984 den Einstieg durchsetzen, nicht ohne schmerzhafte Zugeständnisse an die Forderung des Kapitals nach „Flexibilisierung“.

Bei Volkswagen hatte die IG Metall im November 1993 mit dem Tarifvertrag über die Vier-Tage-/28,8-Stunden-Woche „Arbeitszeit erkauft“ und damit für 30 000 bedrohte Autobauer „Beschäftigung gesichert“, so der damalige Bezirksleiter Jürgen Peters (in: „Modellwechsel“, Göttingen 1994) – allerdings: von den Beschäftigten selbst durch entsprechende Lohnsenkung bezahlt. Nachdem der Zug zur 35-Stunden-Woche in den meisten Branchen nicht zum Ziel gekommen, sondern auf halbem Wege stecken geblieben war und die Kapitalseite seit Mitte der neunziger Jahre in manchen Fällen sogar wieder längere Arbeitszeiten durchsetzen konnte, war diese Insellösung bei Volkswagen auf Dauer nicht zu halten.

In der Tarifrunde 2018 konnte die IG Metall mit dem erstmaligen Einsatz von „24-Stunden-Warnstreiks“ ein individuelles Recht auf „kurze Vollzeit“ – allerdings selbst bezahlt – und eine „Wahloption“ auf freie Tage statt einer zusätzlichen Jahressonderzahlung durchsetzen. Damit wurde zum ersten Mal seit vielen Jahren das Thema „Arbeitszeit“ wieder auf die Tagesordnung gesetzt.

Im Nachklang dieser Tarifbewegung hat in Ostdeutschland, besonders in den Automobilbetrieben, auch der Zug zur 35-Stunden-Woche wieder Fahrt aufgenommen. Es liegt im Interesse aller Beschäftigten, auch in Westdeutschland, diesen kräftig anzuheizen und so die Bahn zu weiterer kollektiver Arbeitszeitverkürzung zu öffnen mit dem Ziel: Kurze Vollzeit für alle – 30 Stunden sind genug!

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"Arbeitsplätze sichern – Arbeitszeit verkürzen", UZ vom 2. November 2018



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