Das Papier der Koalition „Eckpunkte für ein Einwanderungsgesetz“ ist seit Anfang Oktober bekannt, vorgelegt wurde es von Horst Seehofer. Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz soll geregelt werden, wer zu Arbeits- und Ausbildungszwecken kommen darf und wer nicht. Es gibt keine Beschränkung auf von der Bundesagentur für Arbeit (BA) ausgewiesene „Engpassberufe“ mehr. Wenn ein Arbeitsplatz und eine anerkannte Qualifikation vorliegen, sollen Hochschulabsolventen und qualifizierte Fachkräfte in Deutschland arbeiten können. Die Regierung besteht auch nicht mehr auf der Bevorzugung einheimischer Bewerber bei der Besetzung offener Stellen: „Wir verzichten im Grundsatz auf die Vorrangprüfung“, heißt es im Eckpunkte-Papier. Zum Thema Flüchtlinge heißt es, es sollten auch die Potenziale der Personen mit Fluchthintergrund, die eine Beschäftigung ausüben dürfen, für den Arbeitsmarkt genutzt werden. Zur aktuellen Debatte über einen „Spurwechsel“ aus dem Asylverfahren in die reguläre Zuwanderung findet sich im Papier nichts.
Im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD wurde die Absicht formuliert: „maßgeblich zu berücksichtigen für den Zuzug nach Deutschland sind der Bedarf unserer Volkswirtschaft, Qualifikation, Alter, Sprache sowie der Nachweis eines konkreten Arbeitsplatzes und die Sicherung des Lebensunterhalts“. Grundlage für das Vorhaben Einwanderungsgesetz ist also der viel beschworene sogenannte Fachkräftemangel. Nur, dass alle Studien und Untersuchungen der letzten Jahre einen Bedarf, der nicht durch qualifizierte Menschen in Deutschland selbst gedeckt werden könnte, überhaupt nicht konstatieren. Selbst „wirtschaftsnahe“ Institute beschreiben, dass zwar für schlecht bezahlte Jobs mit geringer Qualifikation ein Mangel an Bewerberinnen und Bewerbern herrsche, dieser aber durchaus gewünscht und hausgemacht sei.
Das Eckpunkte-Papier legt etwas anderes nahe: Diejenigen, die sich von wo auch immer aufmachen, um in der BRD eine Arbeit zu finden, werden feststellen, dass sie als „Fachkräfte“ oft gar nicht gebraucht werden. Sie bekommen dem Vorhaben der Bundesregierung nach sechs Monate Zeit, diese ernüchternde Feststellung zu machen. In dieser Zeit dürfen sie sich nicht sozial über unsere Systeme absichern, sondern müssen dies privat leisten. Um den Lebensunterhalt zu sichern, soll während der Suche eine Erwerbstätigkeit unterhalb der eigenen Qualifikation möglich sein. Das bedeutet, dass sie aus der Niedriglohnfalle nicht mehr herauskommen, ein gewünschter Effekt der Anwerbung.
Miese Jobs gibt es in Deutschland genügend. Verbunden mit einer Situation am Wohnungsmarkt, die es ihnen unmöglich macht, eine bezahlbare Wohnung zu finden, wird ihnen eine passende Unterkunft geboten: Baracken und Container oder für den Abbruch vorgesehene Dreckslöcher. Das Kapital wünscht den Zugriff auf billige und qualifizierte ausländische Arbeitskräfte, diese Koalition liefert sie ihm vor die Haustür.
Gesundheitsminister Jens Spahn wird konkret, er stellt sich vor, im Bereich der Pflege die Werbung in Serbien, Albanien und überall in Südosteuropa massiv zu nutzen. Statt in Ausbildung und Qualifizierung zu investieren, werden Arbeitskräfte angeworben, deren Ausbildung ein anderes Land bereits bezahlt hat. Da sie in Deutschland häufig unterhalb ihrer Qualifikation eingestellt und bezahlt werden, drückt das auf die Lohnkosten.
Die vielbeschworene Einigkeit von „Europa“, gemeint ist das Kerneuropa unter BRD-Führung, ist Augenwischerei. Das EU-Diktat predigt Privatisierung und Abbau der öffentlichen Daseinsvorsorge, gerade in den „strukturschwachen“ Gebieten. Eine berufliche Zukunft haben junge Menschen dank einer Politik, die es den Ländern verbietet, gezielte Investitionen in Bildung und Sicherung der Lebensverhältnisse zu tätigen, hier nicht. Dies würde den obskuren Maastricht-Kriterien auch zu wider laufen. Der Druck, nach der Ausbildung das Heimatland zu verlassen und trotz schlechter Arbeitsbedingungen nach Deutschland zu gehen ist hoch und gewollt.
Das geplante Gesetz ist für die arbeitenden Menschen weder in unserem Land noch in anderen Ländern von Nutzen. Es dient einzig und allein dem Zweck, dem Kapital möglichst billige und möglichst fähige Arbeitskräfte zuzuführen. Es wird eine ständig anwachsende „Reserve“ geschaffen, mit der bei Tarifauseinandersetzungen gerne gedroht wird.