Arbeitskampf verstärken

Auch die dritte Verhandlungsrunde in den Tarifauseinandersetzunengen im NRW-Einzelhandel am 20. Juni blieb ohne Ergebnis. Wer im Einzelhandel sein Geld verdienen muss, rutscht mit seinem Gehalt später oft bei der Rente unweigerlich in die Altersarmut. Im Handel ist ein Großteil der 3,4 Millionen Beschäftigten in der BRD davon betroffen. Selbst nach 45 Jahren in diesem Job. Darauf weist die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) in der am 19. Juni begonnenen Aktionswoche „Gute Löhne – gute Rente“ hin. Rund 62 Prozent der Beschäftigten in dieser Branche sind Frauen mit einem Jahresgehalt von weniger als 27 500 Euro brutto. Hinzu kommt, dass oft wegen der Kindererziehungszeiten die 45 Beschäftigungsjahre nicht erreicht werden.

Die Aktionswoche passt gut in die Tarifauseinandersetzung im Einzelhandel. Geleitet von dieser Erkenntnis fordern die meisten ver.di-Landesverbände erstmals für alle Tarifgruppen einen einheitlichen Festbetrag von einem Euro mehr pro Stunde bei der diesjährigen Tarifrunde. Die nordrhein-westfälische ver.di-Tarifverhandlungsführerin Silke Zimmer begründet dies richtigerweise so: „Der Einzelhandel steht gut da. Bereits im achten Jahr in Folge steigen die Umsätze. Es sind die Beschäftigten, die durch ihre tägliche Arbeit die Umsätze und Gewinne im Einzelhandel erwirtschaften. Deshalb ist eine Tariferhöhung für die Beschäftigten im Einzelhandel überfällig“.

Im Einzelhandel gibt es immer mehr prekäre Beschäftigung. Ob Minijobs, befristete Arbeitsverträge, aufgezwängte Teilzeitarbeit oder Arbeit auf Abruf. Hinzu kommt, nur noch knapp 60 Prozent halten sich an bestehende Flächentarife. Deshalb will die Gewerkschaft in dieser Tarifrunde wieder die „Allgemeinverbindlichkeit“ erklären lassen. Das bedeutet, dass Tarifverträge für alle Unternehmen und alle Beschäftigten der Branche verbindlich gelten würden.

Im Einzelhandel findet ein Unterbietungswettbewerb über Dumpinglöhne auf dem Rücken der Beschäftigten statt. Treibende Kraft dabei sind auch tarifgebundene Konzerne wie Karstadt und Kaufhof. Sie versprechen sich selbst davon, Arbeit für die Zukunft noch billiger zu machen.

Die bisherigen Verhandlungsrunden belegen, dass die Handelsbosse kein Entgegenkommen zeigen. Dies wissen auch die Belegschaften. Landesweit streikten deshalb über 3 000 Beschäftigte am 2. Juni während der zweiten Verhandlungsrunde. Geht es nach den Unternehmern, würde sich der Abwärtstrend fortsetzen. Zwei Nullmonate, dann 1,5 Prozent und in einem zweiten Schritt 1 Prozent und das bei einer Laufzeit von 24 Monaten. Gegenüber der ersten Runde soll es eine Einmalzahlungen in Höhe von 150 Euro geben. Die Vorschläge des Kapitals wären eine weitere Reallohnsenkung.

Auch die aktuelle Verhandlungsrunde blieb ohne Ergebnis. In den Tarifkommissionen wird diskutiert, den Druck zu verstärken. „Wenn die Unternehmer sich am Verhandlungstisch nicht bewegen, gehen wir stärker auf die Straße.“ Eine richtige Antwort aus den Betrieben. Doch auch die Kunden spielen bei den Streiks keine unerhebliche Rolle. Eine Mehrheit zeigt in der Regel Verständnis für die Kampfmaßnahmen. Jeder der es will, sieht, wie die Arbeitsbedingungen im Handel sind. Gelingt es ver.di, diese Kunden mit den Streikenden zu solidarisieren, wäre eine Ausweitung der Ausstände sichtbar besser. Beim Handel vor Ort, aber auch im Online-Handel. Kaufen die Menschen während den Streiks nichts, wird dies spürbar werden bei Karstadt, Kaufhof, Real oder anderswo. So ganz nebenbei laufen auch die Streikbrecher ins Leere. Die immer wieder aus anderen Filialen eingesetzt werden. Auch die gegenseitige Unterstützung der Einzelgewerkschaften bei Arbeitskämpfen ist anzugehen. Wie viel Druck auf den Unternehmerverband des Einzelhandels könnte ausgeübt werden, wenn die Belegschaft eines mittleren Industriebetriebes nur für einen Tag Streikposten vor den Warenhäusern beziehen würde?

Weiter verhandelt wird für NRW am 4. Juli in Recklinghausen. Neben der Forderung von 1 Euro mehr pro Stunde sollen die Ausbildungsvergütungen um 100 Euro im Monat angehoben werden. ver.di will eine Laufzeit von 12 Monaten. Die Streiks werden nach Aussage der Gewerkschaft in der kommenden Woche ausgeweitet. Geplant ist auch, nicht tarifgebundene Unternehmen, wie Amazon mit einzubeziehen.

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"Arbeitskampf verstärken", UZ vom 30. Juni 2017



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