Eisenbahnergewerkschaft fordert deutliche Entgelterhöhungen

Arbeitskampf einplanen

Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) befindet sich in der Endphase ihrer Vorbereitung für die kommende Tarifrunde. Als der Diskussionsprozess im November 2021 begonnen wurde, war noch nicht abzusehen, wie sich die wirtschaftliche Lage in Deutschland entwickelt. Zwar waren auch damals schon Preissteigerungen im Energiesektor zu verzeichnen, aber mit 3 Prozent Inflationsrate lag das Jahr 2021 noch im „normalen“ Level. Die dramatischen Entwicklungen der Energie- und Lebensmittelpreise in diesem Jahr lassen die Inflationsrate auf etwa 10 Prozent steigen, mit entsprechenden Auswirkungen auf die bisherigen Tarifrunden.

Auch in den Veranstaltungen der EVG im Jahresverlauf nahm die Debatte um die Größenordnung von Lohnerhöhungen deutlich Fahrt auf. In den letzten Monaten wurde klar: Die kommende Tarifrunde wird sich deutlich von denen der letzten Jahrzehnte unterscheiden. Auf dem Gewerkschaftstag der EVG im Oktober 2022 in Berlin wurde ein erstes Zwischenfazit der Diskussionen gezogen und klargemacht, dass es dieses Mal um deutliche Entgelterhöhungen gehen muss. Zwar wird erst dieser Tage mit einer Mitgliederbefragung gestartet und die endgültigen Forderungen werden erst im Februar nach dem Beschluss der Tarifkommission festgezurrt, aber – so wurde auf dem Gewerkschaftstag verkündet – es geht in Richtung Inflationsausgleich + X. Das X steht noch nicht fest. Daher wird im Allgemeinen damit gerechnet, dass die EVG mit einer klaren zweistelligen Forderung in die Verhandlungen gehen wird. Auch soll nicht mehr – wie in den Grundsätzen der EVG für die Tarifpolitik beschrieben – für 24 Monate, sondern nur für 12 Monate verhandelt werden. Auf die Frage, ob in der kommenden Tarifrunde mit Warnstreiks zu rechnen sei, antwortete das für Tarifpolitik verantwortliche Vorstandsmitglied der EVG, Kristian Loroch: „Ich würde den Arbeitskampf aktuell einplanen.“ Er rechne nicht damit, dass die Arbeitgeber der EVG sehr schnell entgegenkommen.

Die Debatte um die steuer- und sozialabgabenfreien Einmalzahlungen in Höhe von 3.000 Euro als Inflationsausgleich hat aber auch die Mitgliedschaft der EVG erreicht. Es häufen sich die Anfragen, wann mit diesem Geld zu rechnen sei. Auch hier hat Kristian Loroch klar Position bezogen: „Wenn ein Arbeitgeber uns mit einer Einmalzahlung abspeisen will, wird er sehr schnell merken, dass so etwas nicht mit uns zu machen ist.“ In den Debatten in den Betrieben ist aber zu merken, dass die Verlockung mit den Einmalzahlungen sehr groß ist. Hier muss argumentiert werden, denn nur tabellenwirksame Erhöhungen schaffen Abhilfe zu den derzeitigen Kostensteigerungen.

Unschlüssig sind sich EVG-Mitglieder noch, wie die Lohnforderung konkret aussehen soll: Prozentuale Erhöhung für alle oder in Kombi mit einem Mindestbetrag? In den Diskussionen in den Workshops und auch in der Tarifkommission gibt es einen nicht unrelevanten Anteil der EVG-Mitglieder, die lediglich für einen Festbetrag für alle plädieren. Dieser soll insbesondere die unteren Lohngruppen stärker entlasten und für die oberen Lohngruppen einen Inflationsausgleich setzen. Genau darum geht auch die Mitgliederumfrage, die die Zentrale der EVG gerade gestartet hat. Zu allem gibt es noch einen weiteren Unterschied zu den vorherigen Tarifrunden. Neben dem Tarifvertrag mit der Deutschen Bahn AG werden zeitgleich viele weitere Bahnunternehmen mit der EVG verhandeln müssen. Insgesamt sind 50 Bahnunternehmen in diese Tarifrunde einzogen. Für die EVG ein gewaltiger Kraftakt, der nur mit einer entsprechenden Mitgliedermobilisierung zu schaffen ist. Die Friedenspflicht endet zum 1. März 2023. Ein heißer Frühling steht bevor.

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"Arbeitskampf einplanen", UZ vom 9. Dezember 2022



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