Die Vorbereitungen liefen auf Hochtouren, zehntausende Beschäftigte waren bereit, die Arbeit am vergangenen Sonntag niederzulegen. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hatte in zahlreichen Bahnunternehmen zu einem 50-stündigen bundesweiten Warnstreik aufgerufen. Am Samstagnachmittag wurde der größte Player in dieser Branche, die Deutsche Bahn AG, nach einem Vergleich vor dem Arbeitsgericht in Frankfurt/Main aus dem Spiel genommen. Hintergrund war ein Eilantrag der Deutschen Bahn AG, den Streik wegen Unverhältnismäßigkeit zu untersagen.
In der Verhandlung vor dem Arbeitsgericht ging es im Wesentlichen um den Umgang mit dem Mindestlohn, den die EVG zur Eingangsvoraussetzung für Verhandlungen gemacht hatte. Die Deutsche Bahn beabsichtigte hingegen, die unvermeidlichen Lohnerhöhungen bei den Geringverdienern zu verrechnen. In dem Fall wären einige tausend Beschäftigte von den noch zu verhandelnden Erhöhungen nicht in dem Maße berücksichtigt worden, wie es unter der derzeitigen Inflation erforderlich wäre. Das Anliegen der EVG war es aber, diese Gruppe klar über den Mindestlohn zu heben. Die Arbeitsrichterin machte in der Verhandlung deutlich, dass sie dem Eilantrag der DB AG, den Streik zu verbieten, folgen werden – außer es komme zu einem Vergleich.
In dem Vergleich, dem die EVG zugestimmt hat, ist festgehalten, dass sich die DB AG verpflichtet, die unterste Grenze in den Entgelttabellen rückwirkend zum 1. März auf den Mindestlohn anzuheben und dass diese Beschäftigten im vollen Umfang in die noch zu verhandelnden Lohnerhöhungen einbezogen werden. Im Gegenzug musste sich die EVG verpflichten, in dem angekündigten Zeitraum auf den Warnstreik bei der DB AG zu verzichten.
Zur Absage des Warnstreiks heißt es in einer EVG-Information: „Deshalb sollten wir die Streikwesten noch nicht in den Schrank hängen. Unsere Forderungen werden wir nur durchsetzen, wenn wir weiterhin deutlich machen, dass es uns damit ernst ist.“ Sollte sich am Verhandlungstisch nichts bewegen, sei der nächste Arbeitskampf absehbar. Da sich auch in den anderen Unternehmen bislang am Verhandlungstisch nichts oder nur wenig bewege, werde der Streikaufruf für alle anderen Unternehmen aufrechterhalten. Ausgenommen seien die Unternehmen, mit denen die EVG in konstruktiven Verhandlungen stehe. „In dem Vergleich haben wir lediglich erklärt, nur bei der DB AG am Sonntag, Montag und Dienstag nicht zu streiken“, so die EVG. Ab Mittwoch sei wieder alles offen und auch möglich.
Einige kleinere Bahnunternehmen haben inzwischen Angebote vorgelegt, die als verhandlungsfähig angesehen werden. Wie angekündigt, kam es Anfang der Woche bei zahlreichen „nichtbundeseigenen Eisenbahnen“ zu Warnstreikaktionen. Über die weiteren Maßnahmen im Arbeitskampf wird seit vergangenem Sonntag in zahlreichen Konferenzen diskutiert. Die Meinungen reichen über partielle Streiks von bestimmten Berufsgruppen über mehrere mehrtägige Streiks bis hin zu dem Ruf nach Urabstimmung. Die Meinungen der Kolleginnen und Kollegen in den Chats verdeutlichen vor allem eines: Die Konzernleitung, insbesondere der Personalvorstand, hat sich einen Bärendienst erwiesen. Die Achtung ist völlig am Boden. Denn egal wie der Tarifkampf ausgeht: Einem Vorstand, der selbst mit deutlich höherem Entgelt nach Haus geht, wird das Gerede von einer Wertschätzung der Mitarbeiter nicht mehr abgenommen. Vor allem, da die Personalprobleme der DB auch mit der derzeitigen Entlohnung zu tun haben.