Im letzten Sommer machte die rechtskonservative Regierung in Österreich von sich reden, als sie im Auftrag des Kapitals das Arbeitszeitgesetz flexibilisierte. Ein 12-Stunden-Tag und die 60-Stunden-Woche wurden so möglich gemacht. Die Folge war, dass bereits nach wenigen Wochen jeder zehnte Lohnabhängige in der Alpenrepublik 12-Stunden-Dienste leisten musste.
Daraufhin wurden auch in der BRD Rufe von Seiten der Unternehmerverbände und der ihnen nahe stehenden Parteien laut, das Arbeitszeitgesetz in deren Sinne zu flexibilisieren. Bisher hat das Kapital in der BRD recht erfolgreich auf eine andere Strategie gesetzt, nämlich die der Arbeitszeitverdichtung, um möglichst hohe Profite aus der Arbeitskraft der Lohnabhängigen herauszupressen. In Folge dessen nimmt der Stress am Arbeitsplatz für immer mehr Kolleginnen und Kollegen zu und die Grenzen von Arbeit und Freizeit verschwimmen immer mehr.
Immer mehr Beschäftigte machen seit Jahren die Erfahrung, dass sie in der gleichen Zeit immer mehr leisten müssen. Viele Kolleginnen und Kollegen müssen zunehmend außerhalb ihrer Arbeitszeit erreichbar sein, häufig erledigen sie auch außerhalb ihrer Arbeitszeit Aufgaben für den Betrieb. Probleme am Arbeitsplatz belasten die Beschäftigten zusätzlich – auch zu Hause.
Das Ergebnis dieser Arbeitsverdichtung und Arbeitshetze ist, dass die Zahl der psychischen Erkrankungen in den letzten zehn Jahren besorgniserregend angestiegen ist. Daher ist Burnout-Prävention inzwischen auch bei Kapitalvertretern ein Thema. Es geht ihnen aber nicht um Eindämmung der Arbeitsintensität und der damit verbundenen Arbeitshetze, sondern man will den Beschäftigten mehr Hetze-Akzeptanz antrainieren.
Resilienz-Stärkung heißt das Zauberwort, unter dem seit einiger Zeit diese Konditionierungsprogramme propagiert werden. Die in diesen Programmen eingesetzten Coaches suggerieren ihren „Klienten“, dass es nicht die schlechten Arbeitsbedingungen sind, die sie krank machen. Stattdessen sind fehlende Arbeitsorganisation und Zeitmanagement oder mangelnde Stressresistenz Ursache für die Erkrankung. Hier folgt man der gleichen Logik wie in der Arbeitsmarktpolitik. Schuld an der Arbeitslosigkeit ist das individuelle Versagen des Erwerbslosen und nicht das kapitalistische Wirtschaftssystem, das Arbeitslosigkeit produziert. Der Fehler muss bei den Individuen liegen und darf nicht im System begründet sein. Sonst müsste man ja das System ändern.