SC Teutonia 1910 ist ein besonderer Verein. Zu diesen Besonderheiten gehört, dass der ehemalige Arbeitersportverein eine Goldmedaille bei der Arbeiterolympiade vorweisen kann. In Frankfurt am Main gewannen die Altonaer 1925 zunächst die Deutsche Meisterschaft im Schlagball gegen Vorwärts Fermersleben aus Magdeburg, um sich dann im Endspiel gegen ein Team aus der Tschechoslowakei durchzusetzen. Ein guter Anlass, um diesem Verein ein Buch zu widmen, dachten Folke Havekost und Volker Stahl. In „Die Olympiasieger von der Allee“ schildern sie ausgiebig die Geschichte des SC Teutonia 1910 von der Gründung bis heute.
Schlagball war damals ein beliebter Sport in Deutschland – bis sich der Fußball flächendeckend durchsetzte und andere Sportarten verdrängte. Es ist wie Cricket und Pelota ein Vorgänger des Baseballs. Der „Volkssport mit der Keule“ sei vor allem nach dem 1. Weltkrieg ungemein populär gewesen, schreiben Havekost und Stahl.
Der Verein ist aber vor allem deshalb besonders, weil der SC Teutonia 1910 der einzige verbliebene Hamburger Verein ist, der der ehemaligen „kommunistischen Kampfgemeinschaft für roten Sport“ (Rotsport) angehörte. Teutonia gehört zunächst – wie viele andere spätere Rotsport-Vereine – dem sozialdemokratischen ATSB an. Der kommunistische Einfluss sei vor allem in Altona groß gewesen, schreiben Havekost und Stahl, in Groß-Hamburg habe der Anteil der KPD-Mitglieder im ATSB dagegen bei nur bei vier Prozent gelegen.
Weil die Sozialdemokraten sich also in ihrer Mehrheit sicher fühlen, drohen sie angesichts der Spaltung der Arbeitersportbewegung, die sich in Berlin deutlich abzeichnet, allen Verein mit Ausschluss aus dem ATSB, die an den Maifeiern der KPD teilnehmen: „Wooterkant und Fichte Stellingen erhalten deshalb ein mehrmonatiges Spielverbot.“ SC Teutonia wird 1929 ausgeschlossen, weil sie ein Solidaritätsspiel mit dem Rotsportverein VfL 05 Hamburg austragen. Teutonia beantragt Wiederaufnahme in den ATSB, doch im „sozialdemokratisch geführten Verband regiert längst der Dogmatismus“, so Havekost und Stahl.
Und so wird Teutonia von einem typischen Arbeitersportverein im Kaiserreich, den die Polizei bespitzelt und klein halten will, zu einem, der von der SPD in den Rotsport getrieben wird. Wie die gesamte Arbeitersportbewegung verbieten die Nazis – nachdem ihnen die Macht übergeben wird – auch Teutonia.
Nach der Befreiung wird der Verein wieder Anlaufpunkt im Stadtteil. Die Aktiven wollen an der Tradition des Arbeitersports anknüpfen, Teutonia entwickelt sich nach zunächst guten Kontakten in die DDR aber zu einem „normalen“ Verein. Auch der Schlagball verliert an Bedeutung. Ehemalig Aktive bilden nun einen Vereinschor.
Das Buch „Die Olympiasieger von der Allee“ ist eine Vereinschronik, die über die Beschreibung der sportlichen Erfolge – die überregional auf den Schlagball beschränkt blieben – und die Auseinandersetzung mit der Geschichte der Arbeitersportbewegung in Hamburg hinausgeht. Das Buch ist zugleich Handbuch, Fundgrube und Teil der Sportgeschichtsschreibung. Ein Interview mit Werner Skrentny vom „Paderborner Kreis“ thematisiert zudem allgemeine Fragen der Geschichte des Arbeitersports, beschreibt die Quellenlage und wirbt für den Verein, der die Ergebnisse seiner Arbeit unter anderem auf der Website „arbeiterfussball.de“ präsentiert. Hier sind auch einige Ausgaben der Zeitungen „Illustrierte Proletarischer Nordsport“ und „Roter Nordsport“ zu finden, die der Verein digitalisiert hat.
Die Ausflüge von allgemeinen zu sehr detailreichen Schilderungen der sportlichen Entwicklung einzelner Abteilungen des Vereins bleiben zwar teilweise Stückwerk, angesichts der wenigen Veröffentlichungen zum Arbeitersport handelt es sich jedoch um einen Beitrag, der als verdienstvoll bezeichnet werden muss.
Folke Havekost, Volker Stahl
„Die Olympiasieger von der Allee“ – Die Geschichte des SC Teutonia 1910 aus Altona
Verlag Die Werkstatt, 24,90 Euro