Die Krise der Automobilindustrie und die Forderungen der Kommunisten

Arbeiterklasse im Fokus

Olaf Harms, Sekretär für Betriebs- und Gewerkschaftspolitik der DKP, gab mit seinem Referat den Startschuss für die Arbeitsgruppe „Umbrüche in der Automobilindustrie“. An seinen Beitrag schloss sich eine lebhafte Debatte des Parteivorstands an.

Die rasante Digitalisierung, der Einsatz von Automatik und Robotik, führt verstärkt dazu, auf Menschen im Produktionsprozess zu verzichten. Darüber hinaus setzt die Autoindustrie in diesem Zusammenhang auf neue Formen der Fortbewegung, wie zum Beispiel das autonome vernetzte Fahren. Dabei entwickeln sich die Automobilhersteller mehr und mehr zu Software-Giganten, denn um Fahrzeuge daran anzupassen, ist der Einsatz von Elektronik und Software eine Voraussetzung. Das spiegelt sich auch in den Kosten für die Entwicklung neuer Fahrzeugmodelle wider – so beträgt der Anteil von Software an der Entwicklung schon mehr als die Hälfte der Kosten. Damit aber das Bild eines autonomen und vernetzten Fahrzeugs auf den Straßen Realität wird, müssen die Straßen und Verkehrswege entsprechend ausgestattet sein. Dafür soll wieder tief in die Tasche des Steuerzahlers gegriffen werden.

Der kapitalistische Konkurrenzkampf um Markt und Marktbeherrschung nimmt zu. Konkurrenten sollen ausgeschaltet werden und da, wo es nicht geht, werden sie aufgekauft. Ein Beispiel dafür ist der Autokonzern Stellantis, der durch die Fusion von Groupe PSA (Peugeot, Opel,…) mit Fiat Chrysler entstanden ist. Schon jetzt ist absehbar, dass diese Fusion als Folge den Abbau von Arbeitsplätzen haben wird. Aber auch die Verlagerung von Produktion in Länder, in denen die Löhne weitaus niedriger sind als im eigenen Land, führt zu Druck auf die Beschäftigungsverhältnisse, führt zu Druck auf die Arbeitsbedingungen und die Tarifverträge. (…)

Die Autoindustrie ist über widersprüchliche Zusammenhänge mit der gesamten Gesellschaft verbunden. Das ist bei der Entwicklung von Forderungen für diesen Bereich zu beachten.

Das Auto ist nicht nur ein Blech- oder Kunststoffkasten auf vier Rädern, der dazu genutzt wird, um von A nach B zu fahren, auch weil in vielen Regionen ohne das Auto eine Mobilität nicht möglich ist. Nein, das Auto soll schön und schnittig aussehen, am besten groß und mit viel PS ausgestattet, und zudem neben einer Lenkradheizung auch noch in der Lage sein, während der Fahrt Schlager aus YouTube abzuspielen. Dieses Bild wird massiv nicht nur von der Werbung verbreitet, sondern findet sich auch in vielen Filmen oder Fernsehkrimis. Das Auto wird als Symbol für Freiheit und Selbstständigkeit verstanden, ist zudem häufig als Statussymbol etabliert. Wollen wir Veränderungen in der Automobilindustrie, so muss ein anderes Bild von Mobilität prägend sein. (…)

Im bundesweiten Durchschnitt gibt es derzeit pro Haushalt 1,1 Pkw. Derzeit sind rund 48 Millionen Pkw zugelassen, das sind 575 Pkw auf 1.000 Personen. Im Jahr 2010 waren es „nur“ 511 Pkw auf 1.000 Personen, mithin ein Anstieg von über 12 Prozent allein innerhalb von zehn Jahren. Und auch die Anzahl der Pendler hat erheblich zugenommen. Waren es 2000 rund 15 Millionen, so waren es 2018 bereits fast 19,5 Millionen Personen. Der Grund für diese Entwicklung ist ein völlig unzureichender öffentlicher Personennahverkehr. Auch die Politik im Bereich Schienenpersonenverkehr hat zu der Entwicklung des Autos als zentrales Verkehrsmittel beigetragen. Bei der Bahnreform 1994 wurden rund 2.700 Kilometer Schienen für den Personenverkehr und rund 6.000 Kilometer für den Güterverkehr abgebaut. Damit sind viele ländliche Regionen vom Schienennetz abgeschnitten. Mit der Einsparung im Schienengüterverkehr geht einher, dass werkseigene Bahnanschlüsse ebenfalls entfielen. Die Industrie hat dieses dadurch befördert, dass sie die für ihre jeweilige Produktion benötigten Teile nicht mehr in eigenen Lagerhäusern vorrätig hält, sondern mittels Lkw auf die Straße verlagert hat, um just in time nur das angeliefert zu bekommen, was sie jeweils für die aktuelle Produktion benötigt.

Ebenfalls verkaufsfördernd für die Autoindustrie sind steigende Mieten in den Zentren, die dazu führen, dass immer mehr Menschen an die Stadtränder verdrängt werden. Ferner führt das Sterben der Tante-Emma-Läden dazu, dass Menschen auf dem Land nicht mehr in ihrem eigenen Ortskern Einkäufe erledigen können. Das Gleiche gilt im Kern auch für ärztliche Versorgung, Kultur und Bildung. Diese Entwicklung fördert ebenfalls den Individualverkehr.

Lösungen ausschließlich für die Autoindustrie kann es nicht geben. Es ist eben nicht nur das Thema einer Antriebswende oder einer Verkehrswende oder einer Klimawende, letztendlich ist es das Thema einer Mobilitätswende, indem der individualisierte motorisierte Autoverkehr zugunsten einer Mobilität für alle mit dem öffentlichen Personennahverkehr und dem Schienenpersonen- und Güterverkehr als Rückgrat verändert werden muss.

Ich bin mir sicher, dass grundsätzliche Veränderungen, und nicht nur in der Automobilindustrie, nur dadurch möglich sein werden, dass das Privateigentum an Produktionsmitteln in gesellschaftliches Eigentum umgewandelt wird und damit das Profitstreben beendet wird. Und wenn ich mir die Automobilindustrie mit den damit zusammenhängenden Themen betrachte, dann wird diese Industrie diese Themen allein nicht angehen können. Hier bedarf es einer gesamtgesellschaftlichen Planung und Steuerung. Doch bis es so weit ist, kommen wir nicht darum herum, auf Lösungen noch innerhalb des kapitalistischen Systems zu drängen. Und dabei haben wir die unmittelbaren Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiterklasse im Fokus.

Die genannten Rahmenbedingungen in der Automobilindustrie gefährden hunderttausende Arbeitsplätze. Gleichzeitig können Arbeitsplätze geschaffen oder ausgebaut werden, wenn die Infrastruktur für den ÖPNV und den Schienenverkehr erheblich ausgebaut wird und ergänzende Mobilitätsangebote entwickelt und flächendeckend angeboten werden, dazu gehören etwa Fahrrad- und Carsharing genauso wie Ruf-Busse, um nur wenige Beispiele zu nennen. (…)

Selbstverständlich darf nicht vergessen werden, dass Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich vorhandene Arbeit auf mehr Schultern verteilt und dadurch Beschäftigung sichert.
Trotz Corona hat die Autoindustrie erhebliche Gewinne gemacht und wird ihre Aktionäre mit Milliarden-Dividenden überschütten. Ganz zu schweigen von den Gewinnen aufgrund des Produktivitätsfortschritts. Dieses Geld ist im Sinne des oben Gesagten zu verwenden, damit eine „Transformation“ im Sinne der Arbeiterklasse gelingt.

Das komplette Referat findet man auf dem Blog.

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"Arbeiterklasse im Fokus", UZ vom 30. April 2021



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