Autos, Autos, Autos – Zum Tode von Ferdinand Piëch

Arbeit, Arbeit, Arbeit

Von Manfred Sohn

Porsche und Piëch

Wolfgang Porsche und Ferdinand Piëch heißen die Zuchtmeister der beiden Familienstämme von Ferdinand Porsches 36 Urenkeln. Der Clan kontrolliert die Volkswagen AG, das größte deutsche Unternehmen mit 600 000 Beschäftigten und einem Umsatz von rund 200 Milliarden Euro; der Profit lag zuletzt bei 11 Milliarden Euro. Er hält über die Porsche Automobil Holding über 52 Prozent der Stimmrechte am zweitgrößten Autobauer der Welt und stellt mit Wolfgang Porsche den Aufsichtsratsvorsitzenden.

„Ihr“ Werk wurde im Auftrag der Nazis nach der Zerschlagung des ADGB mit der enteigneten Gewerkschaftskasse gebaut. Dazu durften die Arbeiter, nun Zwangsmitglieder der Naziorganisation „Kraft durch Freude“, Spargelder liefern für den KdF-Wagen, den Ferdinand Porsche entworfen hatte. Gebaut wurden im Werk aber Kübelwagen und anderes Kriegsgerät. Anton Piëch, Nazi der ersten Stunde, hatte 1928 Porsches Tochter geheiratet und leitete von 1941–45 das Stammwerk mit angegliedertem KZ. Am 10. April 1945 flieht der Betriebsführer und Volkssturmkommandeur mit der Kasse nach Zell am See aufs „Schüttgut“ der Porsches, wo sich auch heute noch die Erben treffen, um die Marschroute abzusprechen. Mitbekommen hatten sie von Anton und Ferdinand, die kurz als Kriegsverbrecher einsaßen, auch deren asoziale Skrupellosigkeit. Im „Kalten Krieg“ waren Rüstungsbetriebe gefragt und die Nazibande, die sie betrieb, war den Briten willkommen: Die Erben schöpften bald wieder aus den Profitquellen des VW-Werks.

1950 wurde VW an den Adenauer-Staat und nicht etwa an den DGB „rück“übereignet. 1961 dachte sich Erhard die „Volksaktie“ aus: 60 Prozent der VW-Anteile wurden an „kleine Leute“ verkauft; Niedersachsen übernahm 20 Prozent, die das Land heute noch hat. Die Proletarier verkauften die Aktien meistens, weil sie inzwischen z. B. einen VW brauchten. Unter den Käufern waren auch die Porsche- und Piëch-Erben. Die hatten gewaltig profitiert von Lizenzgebühren, lukrativen Entwicklungsaufträgen und günstigen Zulieferungen und über die Porsche Automobil AG in Salzburg, das heute größte europäische Autohandelsunternehmen mit Vertriebsmonopol für VW in Österreich und Osteuropa.

Diese für den Clan so lukrative Zusammenarbeit managte Ferdinand, der Sohn des KdF-KZ-Managers Anton Piëch, von 1993 bis 2015 erst als Vorstands-, dann als Aufsichtsratsvorsitzender. Er tat sich insbesondere mit der Einbindung von SPD, IG Metall und Betriebsrat hervor: Stichworte Schröder, Hartz und Brasilien-Volkert. Berthold Huber wurde sogar sein Nachfolger als Aufsichtsratschef nach dem plötzlichen Rücktritt im April 2015.

Da war VW schon fest in Oligarchenhand: Bis 2009 hatte sich der Clan mit gerichtsnotorischer Skrupellosigkeit in den Besitz der Mehrheit der Stimmrechte gebracht. Einen Gegner haben sie vielleicht unterschätzt: Mit der überfallartigen Abwerbung eines Opel-Teams wurde General Motors in Deutschland geschwächt. Der Angriff auf GM in den USA mit „Clean Diesel“ hat nun unerwartet harte Gegenwehr erzeugt. Die IG Metall ist diesmal nicht bereit, den Preis für den Clan zu bezahlen.

Aus: UZ-Dossier „Unsere Oligarchen – Die Spitzen des deutschen Finanzkapitals“ von Richard Corell/Stephan Müller

Als der am 25. August bei einem Restaurantbesuch verstorbene Ferdinand Piëch im April 1937 in Wien geboren wurde, konnte er nichts dafür, dass im selben Jahr sein Großvater Ferdinand Porsche Mitglied der NSDAP wurde. Aber es war eben nicht nur seine nun fast in allen Nachrufen gepriesene Begabung für technische Problemlösungen und Begeisterung für Motoren und Automobile, die ihn an die Spitze des nunmehr größten Autokonzern der Welt befördert hatte.

Der Großvater hatte sich zügig zu einem der wichtigsten Berater seines Führers Adolf Hitler gemausert, für ihn den „Kraft-durch-Freude“-Wagen – den späteren „Käfer“ – und auf dieser Basis Kübelwagen sowie Panzer für die Front entwickelt. Auch dem so entstandenen Geflecht war es zu verdanken, dass der spätere niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) ausgerechnet ihm 1992 den Zuschlag gab, um den damals kriselnden Volkswagenkonzern (VW) wieder in die schwarzen Zahlen zu führen.

Die Nachrufe, die von der „Tagesschau“ über das Internet bis hin zu allen gedruckten Medien von Rang nun veröffentlicht wurden, waren voller Bewunderung – bis hin in die Kreise der IG Metall hinein. Die Fahnen in den VW-Werken wehten auf Halbmast, in Wolfsburg standen alle Bänder für eine Minute still, in vielen anderen Werken des Konzerns – etwa bei Audi in Ingolstadt und Neckarsulm, bei denen er vor seinem Umzug nach Wolfsburg Vorstandschef war – sogar für mehrere. Der Gesamtbetriebsrats-Vorsitzende Bernd Osterloh meinte, ohne ihn stünde VW „nicht da, wo wir jetzt stehen. Dafür schulden wir ihm unseren Dank und Anerkennung.“

Schröder begründete seine damalige Wahl in einem Interview so: „Zwei Männer waren im Gespräch: (Daniel) Goeudevert galt als Querdenker, der sich schon damals für neue Verkehrskonzepte einsetzte und für Autos, die weniger CO2 ausstoßen. (…) Ferdinand Piëch hatte Audi von einem Nischenanbieter zu einer Marke gemacht, die weltweit Aufsehen erregte mit Allradantrieb und Aluminiumkarosserien. Er war der absolute Technikexperte“ – und er fügte hinzu, VW sei damals, 1992, ein „Übernahmekandidat“ gewesen, 30000 Arbeitsplätze wären akut gefährdet gewesen.

Der, für den sich Schröder dann entschied, hatte mit Ressourcenschonung und alternativen Verkehrskonzepten nichts am Hut – die Aluhüllen dienten einer Gewichtsreduzierung, die sofort in mehr Geschwindigkeit verwandelt werden sollte. Friedrich Indra, ein ehemaliger Audi-Ingenieur, der jahrelang mit Piëch zusammengearbeitet hatte, brachte das so auf den Punkt: „Piëch fuhr immer wahnsinnig schnell. Da habe ich ihn gefragt, warum er das mache. ‚Wissen Sie‘, meinte er dann, ‚in jedem BMW und Mercedes, den wir jetzt überholen, sitzt ein zukünftiger Audi-Käufer‘.“

Arbeit, Arbeit, Arbeit – das war das völlig von seinen Inhalten losgelöste Mantra des Kanzlers Schröders. Weil aber Arbeit im Kapitalismus immer Ausbeutung zugunsten des Selbstzwecks Geld, Geld, Geld bedeutet, war er der ideale Kanzler der Bosse. Das Paradeprodukt, das über den Umweg Arbeit immer mehr Geld hecken konnte, war – und ist – im Kapitalismus die motorisierte Kutsche, das Auto. Also war (und ist) jemand, der „Auto, Auto, Auto“ zum Fixpunkt seines ganzen Denkens macht, eben die in sich logisch bessere Wahl für den Vorstandsvorsitzenden eines bedrohten Mobilitätskonzerns als jemand, der irgendwelchen Träumen von einer besseren Welt nachhängt.

Von Ferdinand Piëch bleibt außer einem Vermögen von rund einer Milliarde Euro, 13 Kindern und doppelt so vielen Enkelkindern daher vor allem das: Auch Männern wie ihm ist das Vollmüllen dieses Planeten mit immer schnelleren und immer größeren Autos zu verdanken – und ihre Fixierung auf den Individualverkehr hat die Grundlagen dafür gelegt, dass die meisten Diskussionen um neue Verkehrskonzepte nun auf die Frage neuer Antriebe anstelle neuer Konzepte verengt werden. Gründe für tiefe Trauer über den Tod dieses Mannes sind das nicht.

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"Arbeit, Arbeit, Arbeit", UZ vom 6. September 2019



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