Zu „Corona bringt es an den Tag“, UZ vom 24. 12. 2020

Appetithäppchen

Ursula Vogt, Regensburg

Chapeau – dieser Artikel ist sehr gut. Was ich über diese – hundertmal berechtigte! – Verzweiflung hinaus aber bräuchte, ist Hilfe zur Aneignung von Kultur. Mit „ich“ meine ich jetzt mal die Partei und alle mit Herz und Hirn Gesegneten. Ich stelle mir das so vor: In jeder UZ ein Vorschlag zum Anhören oder Lesen. Nur kurz den Dichter, Komponisten et cetera vorstellen und einen Link, wo man sich was anhören oder was lesen kann. Appetithäppchen für des genussvollen Einsatzes der Sinne Entwöhnte.

Mein Vorschlag ist erwachsen aus einer noch anderen, erst mal kunstunabhängigen Überlegung: wir kommentieren in der UZ, aber auch in unserer Praxis, viel zu oft und zu viel den miserablen Zustand der Welt. Ich hätte gerne mehr Aufblitzen von dem, was anders sein könnte. Anstatt streckenweise langweilige Berichte über Kämpfe der Arbeiter hätte ich zum Beispiel gerne mehr davon, wie sie sich in diesen Kämpfen ihre Würde und ihren Stolz wieder erobern.

Darum geht es der Bourgeoisie: Dass sie ihnen die paar Pfennige mehr verwehren, hat nicht nur betriebswirtschaftliche Gründe. Ich kenne das aus meiner Tätigkeit als Arbeitspsychologin. Wenn der Betriebsrat irgendwas eingefordert hat, was die physische und psychische Gesundheit der Menschen hätte verbessern können, kam von oben automatisch „Nein“. Man geht lieber für Hunderttausende von Euros in Einigungsstellen und vors Arbeitsgericht, als eine Lüftung in den Pausenraum einzubauen. Wenn die Kolleginnen und Kollegen darüber den Kopf schüttelten, konnte ich ihnen wenigstens erklären, dass das wenig mit betriebswirtschaftlichen Erwägungen zu tun hat, sehr viel hingegen damit, die Klasse klein und ohnmächtig zu halten.

Kurz: wir müssen den Menschen Mut machen und Freude geben. Da hätte der Autor ganz sicherlich eine Menge im Angebot.

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"Appetithäppchen", UZ vom 8. Januar 2021



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