Mit einem flammenden Appell zu globaler Solidarität und Diplomatie hatte UN-Generalsekretär António Guterres die Generaldebatte der 77. Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York eröffnet. Angesichts des Krieges in der Ukraine und einer Vielzahl anderer Konflikte wie auch der Klimakrise brauche es eine „Koalition der Welt“ für den Frieden. „Keine Macht oder Gruppe allein kann das Sagen haben. Keine große globale Herausforderung kann durch eine Koalition der Willigen gelöst werden.“ Die Staatengemeinschaft müsse ihre Gegensätze überwinden und diplomatische Lösungen finden, mahnte Guterres. Mit der Öffnung ukrainischer Häfen für den Export von Getreide habe die UNO Handlungsfähigkeit bewiesen – tatsächlich hat das zusammen mit der Türkei vermittelte Abkommen zwischen der Ukraine und Russland den kollektiven Westen vorgeführt, der jedwede Verhandlungslösung in dem Konflikt ablehnt und auf den Sieg über Moskau setzt.
Bei Bundeskanzler Olaf Scholz stieß der Ruf nach Diplomatie und kollektiver Anstrengung für den Frieden auf taube Ohren. In seiner Rede – vor weitgehend leeren Rängen – sprach der Sozialdemokrat mit Blick auf Russland von einer „Rückkehr des Imperialismus“. Dies sei nicht nur ein Desaster für Europa, sondern auch für die globale Friedensordnung. Der Ukraine sicherte der Kanzler weitere Unterstützung auch mit Waffen aus Bundeswehrbeständen zu, darunter vier weitere Artilleriegeschütze vom Typ Panzerhaubitze 2000, und zeigte sich siegessicher: „Russland kann diesen verbrecherischen Krieg nicht gewinnen.“
Der ukrainische Präsident Wladimir Selenski, per Video aus Kiew nach New York zugeschaltet, präsentierte eine ganze Palette an Forderungen: Schaffung eines Sondertribunals, „um Russland für das Verbrechen der Aggression gegen unseren Staat zu bestrafen“; Einrichtung eines Entschädigungsfonds, für den Russland aufkommen müsse, sowie Entzug von Russlands Veto-Recht im UN-Sicherheitsrat. Schließlich rief Selenski zu weiteren Waffenlieferungen für sein Land auf, Verhandlungen mit Moskau erteilte er eine Absage.
US-Präsident Joseph Biden, dessen Land den meisten Menschen außerhalb des NATO-Westens wohl als Erstes im Zusammenhang mit Imperialismus in den Sinn kommt angesichts unzähliger Putsche, Interventionen und völkerrechtswidriger Kriege mit Hunderttausenden Toten allein im Irak, warf seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin einen „schamlosen“ Verstoß gegen die UN-Charta vor. „Niemand hat Russland bedroht, und niemand außer Russland hat den Konflikt gesucht“, behauptete Biden. Russland als ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrats sei „in sein Nachbarland eingedrungen“ und habe „versucht, den souveränen Staat von der Landkarte zu tilgen“. Jedes Mitglied der UN-Vollversammlung müsse sich dagegenstellen und „fest und unerschütterlich in seiner Entschlossenheit sein“, mahnte Biden, ohne für eine Anti-Russland-Front freilich auf Zuspruch bei den Ländern des Südens zu stoßen.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schließlich kündigte am Rand der UN-Generalversammlung eine Ausweitung des Wirtschaftskrieges gegen Russland an. Die bisherigen Sanktionen wertete sie als „sehr erfolgreich“ – wohl wissend, dass sie den Krieg in der Ukraine nicht stoppen, dafür aber Millionen Menschen in Deutschland und der EU finanziell verarmen. Richtig Profit machen dafür infolge explodierender Preise für Gas und Öl russische Energiekonzerne wie auch die US-Fracking-Industrie, die jetzt endlich ihr ebenso teures wie dreckiges Flüssiggas in die EU verschiffen kann.