Antilinke Deutsche

Markell Mann • Die Schnittstellen zwischen Antideutschen und der neuen Rechten

Während der Grünen-Chef Habeck für den Einsatz deutscher Soldaten gegen den Iran wirbt, wird innenpolitisch die Werbetrommel für weitere Aggressionen an der Seite der USA und seines engsten Verbündeten im Nahen Osten gerührt. Die zur „deutschen Staatsräson“ erhobene „Sicherheit“ der atomaren Regionalmacht Israel nimmt dabei immer absurdere Züge an. So haben sich in den letzten Monaten alle etablierten Parteien, Kommunen von München bis Essen, aber auch Gewerkschaftsgliederungen wie die ve­r. di-Jugend unter dem Deckmantel des Anti-Antisemitismus gegen Kritik an der israelischen Politik ausgesprochen.

Das Spektrum der bedingungslosen Israel-Solidarität war einst in subkulturellen Nischen studentischer Linker zu finden. Sogenannte „Antideutsche“, denen die Lektüre von Adorno und Postone als Aussteigerprogramm aus dem Klassenkampf diente, versuchten, die Lehre „Nie wieder Faschismus“ gegen die dazugehörige Forderung „Nie wieder Krieg“ auszuspielen. Zu ihren wichtigsten Vertretern zählten einst Justus Wertmüller und Jürgen Elsässer. Die beiden gründeten 1992 die Zeitschrift Bahamas. Noch in den 1990ern publiziert auch der damalige Student Stephan Grigat in Bahamas. Er fordert unter anderem einen militärischen Erstschlag gegen den Iran, während er sich glücklich darüber zeigt, dass die israelische Seite über Atomwaffen verfügt – „adäquates Vorgehen“ sei im Nahen Osten nunmal militärischer Natur. Zu diesen kriegstreiberischen Ansichten passen auch pauschalisierende Aussagen über die Natur des Islam gepaart mit Auftritten im rassistischen Spektrum.

Mit der in Österreich ansässigen „Allianz für Demokratie im Nahen Osten“, für welche er als Kassierer aktiv war, startete Grigat die Initiative „Stop the Bomb“, für die er bis heute als „Wissenschaftlicher Direktor“ fungiert. Vordergründig geht es der Initiative um die Unterstützung von sozialen und politischen Rechten der Menschen im Iran. Doch anstatt Aktivisten vor Ort zu unterstützen, organisiert sie eine deutschsprachige Querfront von Henryk M. Broder bis zu Petra Pau, die gemeinsam an die Bundesregierung appellieren, Sanktionen gegen den Iran zu verhängen. Mit diesen Positionen ist der ehemalige Rosa-Luxemburg-Stipendiat Grigat seit einigen Jahren auch gern gesehener Referent bei den Falken, ver. di oder dem DGB. Eben dort, wo Anti-Kriegs-Positionen Stück für Stück aufgeweicht werden. Aber darf man diese Verbindung wirklich als „Querfront“ bezeichnen?

Dass heutzutage offene inhaltliche Schnittstellen zwischen den sogenannten Antideutschen und der neuen Rechten bestehen, hat schon 2014 der Kopf der rechten „Identitären Bewegung“, Martin Sellner, festgestellt. Er sieht gar das Potential für eine Querfront zwischen beiden Fraktionen: „Mein Prognose ist, dass im deutschen Sprachraum innerhalb der nächsten fünf bis sechs Jahre die ersten Antifa-Demos gegen die Islamisierung entstehen könnten. Auslöser werden wohl antisemitische Übergriffe der ‚kulturellen Bereicherer‘ und/oder antisemitische Ausfälle ihrer salafistischen Brüder sein. Eine israelsolidarische Antifa wird sich dann nicht um echte Reaktionen drücken können (…) Das, was sich dann um Blogs wie Lizas Welt, Zeitungen wie Bahamas und Denker wie Grigat und Wertmüller formieren wird, wird keine ‚Antifa‘ im herkömmlichen Sinne, und damit eine Stütze des Status Quo sein, sondern der ernsthafte Krisenmodus einer radikalen Linken, die erkennt, dass mit dem Untergang der Völker Europas auch ihre Utopie des Kommunismus fürs Erste flöten geht. Das wäre das Ende ihrer ‚Front gegen Rechts‘.“

Ob sich aber ein Grigat wirklich von seiner angeblich „radikalen, kritischen Linken“ lösen wird? Es sieht so aus. Dem inhaltlichen Wechsel folgt nun der Etikettenwechsel. Seit diesem Jahr ist Grigat Dozent für Politikwissenschaft an der Uni Passau und an der Universität der Bundeswehr in München-Neubiberg. Das ist die Bundeswehr-Ausbildungsstätte, in der sich Sellners Gesinnungsfreunde in Uniform, wie der kürzlich aufgeflogene Franco A., mit Kampferfahrung und Waffen ausstatten wollen.

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"Antilinke Deutsche", UZ vom 30. August 2019



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