„Blühende Landschaften“ hatte Helmut Kohl einst den Menschen in den Neuen Bundesländern versprochen. Die „Alteigentümer“ und Spekulanten aus dem Westen warteten schon. Es folgte die Schließung vieler Betriebe – auch um Konkurrenten auszuschalten –, von Wissenschaftsinstituten und Kultureinrichtungen. Hunderttausende wurden arbeitslos, mussten sich teilweise beruflich umorientieren. Manche haben das nicht geschafft. Junge Leute zogen aus strukturschwachen Gebieten weg, verließen ihre Heimatorte, um im Westen des Landes Arbeitsplätze zu finden.
26 Jahre nach dem 3. Oktober 1990 wird im „Jahresbericht Deutsche Einheit“ der Bundesregierung festgestellt, dass die sozialen Verhältnisse in Ost- und Westdeutschland „auseinander driften“: Die Wirtschaftskraft Ost liegt weiter unter dem Durchschnitt der westdeutschen Länder, die Ostdeutschen haben – durchschnittlich – weniger „auf der Kante“. Löhne und Rentenansprüche sind niedriger, die Preise nicht. Insgesamt habe sich der wirtschaftliche Aufholprozess der ostdeutschen Länder in den letzten Jahren abgeschwächt, heißt es im Gutachten. Ein Grund sei die Kleinteiligkeit der ostdeutschen Wirtschaft. Die großen Unternehmen würden noch immer fehlen. Iris Gleicke (SPD), Beauftragte der Bundesregierung für die ostdeutschen Bundesländer, betonte bei der Vorstellung des Jahresberichtes: „Der Aufholprozess läuft seit Jahren äußerst verhalten. Und das ist noch die freundliche Formulierung.“ Auf absehbare Zeit rechnet sie mit keiner Änderung.
Trotz dieser kritischen Worte: Seit vielen Jahren schönt der Jahresbericht die wirklichen Verhältnisse. Viel wurde in diesen Jahren versprochen, aber nicht wenige im Osten des Landes fühlen sich oder sind abgehängt. Sie haben kein Vertrauen mehr in Versprechungen der regierenden Politikerinnen und Politiker. Das zeigt sich nicht nur bei Wahlen.
Im Bericht heißt es auch, dass die Fremdenfeindlichkeit im Osten besonders hoch sei, dass das die wirtschaftliche Entwicklung hemme und Unternehmen von größeren Investitionen abhalte. Es finde sich „in Relation zur Bevölkerungszahl eine Häufung von rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten in den ostdeutschen Landern. Es ist insgesamt eine besorgniserregende Zuspitzung der politischen Auseinandersetzung zu beobachten“, heißt es im Jahresbericht. Das ist sicher richtig und hoch problematisch. Gefordert wird aber lediglich mehr demokratisches Engagement. Über die Ursachen für die Rechtsentwicklung soll nun eine Studie Auskunft geben, die Anfang des Jahres in Auftrag gegeben wurde.
Das ist lachhaft: Antifaschistische Organisationen, aber auch von der Bundesregierung gesponserte Institutionen haben seit vielen Jahren immer wieder auf die ökonomischen und sozialen Ursachen aufmerksam gemacht, auf die Lebenslage vieler im Osten und auf enttäuschte Illusionen. Sie haben aber auch darauf verwiesen, dass seit 1990 rechte Täter oft nicht zur Verantwortung gezogen wurden oder mit geringen Strafen davonkamen, dass Polizei und Justiz vielfach „auf dem rechten Auge“ blind waren und sind. Und nicht nur bei der NSU. Auch die jüngsten Ereignisse in Bautzen oder der Bombenanschlag in Dresden belegen das.
Zudem geht es um eine gefährliche gesamtgesellschaftliche Entwicklung. Über diese liest man in der Studie nichts. Dagegen folgt auf die Beschreibung der rechten Gefahr und der Fremdenfeindlichkeit gleich ein Abschnitt über „Linksextremismus“, um dann wieder zum Thema „Fremdenfeindlichkeit“ zurückzukehren. Alles eine Soße? Um „Fremdenfeindlichkeit“ geht es nämlich unter Punkt drei im Abschnitt III. Der ist betitelt mit „Aufarbeitung fortsetzen, Zusammenhalt fördern“. Der 1. Punkt beschäftigt sich mit der „Auseinandersetzung mit der DDR-Geschichte“ und vor allem um die „Aufarbeitung der SED-Diktatur“ sowie dem zukünftigen „Umgang mit den Unterlagen der Staatssicherheit“. Das macht klar, worum es eigentlich geht und mit welcher antikommunistischen Dauerwürze diese Soße zusammengerührt werden soll.