Jahrestage für Erinnerung und Mahnung nutzen

Antifaschisten vor neuen Aufgaben

Von Knut Massmann / Ulrich Sander

Die vor über 70 Jahren gegründete Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes sieht sich im Jahr 2018 vor große Herausforderungen gestellt. Angesichts mehrerer historischer Jahrestage kommt der Erinnerung an die historischen Verbrechen des Faschismus eine besondere Bedeutung zu. Aber nicht nur der Erinnerung, sondern auch der Mahnung. Der Mahnung und Warnung vor Wiederholung. Deshalb steht das Wirken gegen völkische und profaschistische Ideologien, Bewegungen und Parteien in der Gegenwart besonders im Vordergrund. Am 30. Januar 2018 jährt sich zum 85. Mal die Machtübertragung an Hitler und die NSDAP, die zur brutalsten Diktatur der Weltgeschichte, zum Vernichtungskrieg und Völkermord führte. Der 9. November 1938, vor 80 Jahren, wurde mit der Reichspogromnacht ein Höhepunkt im Vernichtungsprogramm der Nazis gegen die jüdische Bevölkerung. Nicht zu vergessen ist die Novemberrevolution, mit der vor 100 Jahren die Arbeiterschaft Deutschlands dem Krieg ein Ende setzte und die dann bereits nach 15 Jahren durch die Konterrevolution revidiert wurde.

Zugleich mit der Erinnerung an die Geschichte stellen wir uns völkischen und profaschistischen Ideologien in der Gegenwart entgegen, die Hass und Gewalt schüren und mit der AfD wieder einen  erschreckend erfolgreichen parteipolitischen Ausdruck in Landtagen und im Bundestag gefunden haben. Wir dagegen zeigen Solidarität mit den Flüchtlingen und führen die Kampagne „Aufstehen gegen Rassismus“ mit der Ausbildung von Stammtischkämpfer/-innen im breiten Bündnis weiter. Noch in den letzten Kriegstagen mordeten Nazis an vielen Orten im Land Gegner und Zeugen ihrer faschistischen Politik. An sie wird beispielsweise wieder in Dortmund in der Bittermark (30. März) und bei Solingen in der Wenzelnbergschlucht (29. April) gedacht. Am 3. März 2018 wollen die nordrhein-westfälischen Antifaschisten an ein weitgehend unbekanntes Kriegsendverbrechen erinnern. Aus Anlass der Todesmärsche von 500 Zwangsarbeitern, getrieben von der Gestapo Köln, werden wir eine Rundfahrt von Köln über Lindlar zur Versetalsperre bei Lüdenscheid unternehmen. Zusammen mit örtlichen Aktivisten werden wir vor Ort an die Verbrechen erinnern und sie öffentlich machen. Die Rallye „Verbrechen der Wirtschaft“ wurde vor zehn Jahren gestartet und sie wird bundesweit unterstützt. In NRW wird bereits an zahlreichen Orten an die Beteiligung der Wirtschaftseliten an Aufrüstung, Krieg und Sklavenarbeit erinnert. Aufgrund weiterhin vorhandener „weißer Flecken“ bei der Aufarbeitung, wie z.B. der Quandt-Erben, werden wir die Kampagne fortsetzen. Beispielhaft erinnert seit 2017 eine Veröffentlichung des Bochumer Aktivisten Günter Gleising mit dem gleichen Titel an die Verbrechen der Wirtschaft in Bochum und Umgebung mit zahlreichen Dokumenten und Belegen. Konkret kann jede Gruppe vor Ort mitmachen, denn unangemessene Straßennamen gibt es leider noch immer. In Brandenburg ist sogar eine Schule nach Günter Quandt benannt, einem nie bestraften Kriegsverbrecher, dessen Nachkommen sich immer noch weigern, Entschädigung für Zwangsarbeit zu leisten.

Kein historisches Ereignis, sondern ein Verbrechen aus der Zeitgeschichte der Bundesrepublik ist der rassistisch motivierte Brandanschlag auf eine Solinger Familie. Fünf türkische Familienmitglieder überlebten diesen Anschlag nicht. Im Mai 2018 erinnern zahlreiche Initiativen eine ganze Woche an den 25 Jahre zurückliegenden Brandanschlag. Die VVN-BdA beteiligt sich hier mit einem Konzert gegen Rechts. „Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!“ ist für uns die Kurzfassung der Lehre aus der Geschichte. Für eine friedliche Welt beteiligen wir uns  mit zahlreichen Kreisvereinigungen wieder an den Ostermärschen und an weiteren Aktivitäten der Friedensbewegung, so auch am 3. Oktober als „alternativer Nationalfeiertag“ beim NATO-Luftkampfzentrum in Kalkar und in Jagel. Weiter beteiligen wir uns an der Unterschriftensammlung „Abrüstung statt Aufrüstung“ und rufen alle Antifaschistinnen und Antifaschisten dazu auf.

Dass sich die VVN-BdA auch weiterhin gegen Diffamierungen seitens des Verfassungsschutzes wehren muss, zeigt die Nennung des „Schwurs von Buchenwald“ in Dossiers, die ihn als angeblich verfassungsfeindliches Machwerk denunzieren. Für die VVN-BdA drückt der Schwur der befreiten KZ-Häftlinge auch heute noch das eigene Selbstverständnis aus, in dem es unter anderem heißt: „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“ Als wichtiges Dokument der Zeitgeschichte fordern wir seine Aufnahme in das Weltdokumentenerbe der UNESCO.

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"Antifaschisten vor neuen Aufgaben", UZ vom 12. Januar 2018



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