Bevor am 16. März in der lettischen Hauptstadt Riga 1 500 rechte Demonstranten der Nazikollaborateure der „Lettischen Legion“ gedachten, bekundete der lettische Präsident Andris Berzins ihnen seinen Respekt. „Es haben so viele Menschen ihr Leben für die Zukunft Lettlands verloren. Ich sehe keinen Grund, dies zu leugnen“, zitierte ihn die „Süddeutsche Zeitung“.
Dass die lettischen Marionettentruppen im Krieg an der Seite der deutschen Faschisten gegen die Rote Armee Verluste hatten, leugnet niemand. Dass die „Lettische Legion“ ein Teil der Waffen-SS war, dass diese Truppe aus Einheiten gebildet wurde, die zwischen 1941 und 1943 große Teile der lettischen Juden ermordet hatten, ist aus Sicht der lettischen Regierung zumindest nicht das entscheidende. Sie genehmigte auch in diesem Jahr den Aufmarsch, an dem auch noch lebende Veteranen der lettischen SS-Verbände teilnahmen. „Die da aufmarschieren, sind diejenigen, die den Holocaust in Lettland organisiert haben“, sagt Markus Tervooren, Geschäftsführer der Berliner VVN-BdA. Er wollte sich mit anderen VVN-Mitgliedern dem Protest gegen die Naziverherrlichung in Riga anschließen. Die Polizei schob ihn und vier weitere deutsche Antifaschisten ab.
Auch die VVN-Vorsitzende Cornelia Kerth hatte geplant, am 15. März nach Riga zu fliegen. Baltic Airlines erlaubte ihr nicht, ins Flugzeug zu steigen. Markus Tervooren schaffte es mit einer Gruppe von 20 Personen bis zum Flughafen nach Riga. Dort nahm die Grenzpolizei ihn und fünf weitere Antifaschisten aus Deutschland fest. Sie führte die Fünf in einen kleine Raum, hielt sie dort einige Stunden fest, stellte vor allem Fragen über die Kontakte, die die VVN in Lettland hat.
Die deutsche Gruppe wies darauf hin, dass sie vorhätten, sich an einer genehmigten Kundgebung zu beteiligen – den Protesten gegen den Aufmarsch der Nazikollaborateure, den die Organisation „Lettland ohne Rassismus“ organisiert hatte.
Tervooren und die vier anderen hatten schon 2014 an den Protesten gegen den „Tag der Legionäre“ teilgenommen. Bereits damals hatte die Polizei sie genau beobachtet und schon bei der Einreise ihren Bus kontrolliert und die Personalien festgestellt. Das war die Grundlage dafür, dass die lettischen Behörden sie nun zu „unerwünschten Personen“ erklärten. Die Beamten drohten damit, sie in ein Internierungslager nahe der weißrussischen Grenze zu stecken, wenn sie nicht sofort „freiwillig“ wieder ausreisen würden. Der entsprechende Beschluss kam aus dem lettischen Innenministerium, wurde den Festgenommenen aber nur auf Lettisch vorgelegt. Da sie sich weigerten, freiwillig auszureisen, brachten die Grenzpolizisten sie in einem vergitterten Fahrzeug zur litauischen Grenze. Die Polizei hatte Tickets für einen Fernbus gekauft, den hielt sie auf der Strecke an, setzte Tervooren und die anderen hinein und schob sie damit ab.
Als Tervooren 2014 nach Riga gereist war, beobachteten deutsche Zivilpolizisten schon in Berlin den Bus. Offenbar hatten die lettischen und die deutschen Behörden in dieser Sache Informationen ausgetauscht. „Uns würde sehr interessieren, welche Rolle die Bundesregierung dabei spielt“, sagt Tervooren und kündigt an, dass die VVN versucht, juristisch gegen die Abschiebung vorzugehen.
Die 15 anderen Antifaschisten, die aus Deutschland angereist waren, nahmen an dem Protest teil. „Aber sie sind ununterbrochen von der Polizei belästigt worden“, sagt Tervooren. Die Beamten standen in der Lobby des Hotels, klopften an die Zimmertüren und wollten klarmachen, dass sie besser nicht zur Kundgebung gehen sollten. Die antifaschistische Kundgebung am 16. März war völlig von der Polizei umstellt.
Nach Riga schickten die Faschisten Deportationszüge mit Juden aus Berlin. „Unter unseren Mitgliedern gibt es einige, die dort Angehörige verloren haben. Diese Proteste brauchen dringend Unterstützung, es sind sehr wenige, die sich trauen zu protestieren“, so Tervooren. Die meisten, die sich beteiligen, sind jüdischer Herkunft und gehören zur großen russischsprachigen Minderheit des Landes. In der offiziellen lettischen Geschichtserzählung sind die Nazikollaborateure Freiheitskämpfer, die die lettische Unabhängigkeit gegen die sowjetischen Unterdrücker verteidigt hätten. Diejenigen, die sich gegen den reaktionären Aufmarsch stellen, stellten sich dagegen auf die Seite Russlands und gegen die lettische Nation. 2014, als die deutschen Antifaschisten vor dem Protest unter Polizeibeobachtung im Hotel zu Abend aßen, erschien ein Fernsehteam. „Die stürmten rein, es ging nicht darum, uns Fragen zu stellen“, berichtet Terhooven. „Der Tenor des Berichts: Wir seien Agenten Moskaus.“