Eine Erwiderung zu Thomas Mehners Diskussionsbeitrag

Antifaschismus und die Strategie der DKP

Von Hans-Peter Brenner

Der Beitrag bezieht sich auf Thomas Mehner: „Die treibende Kraft bekämpfen – Die antimonopolistische Strategie – Grundlage kommunistischer Antifa-Strategie?“, UZ vom 26.1.18, S. 12

Für Thomas Mehner scheint alles klar zu sein: „Kommunist/innen gehen mit Dimitroff und der Kommunistischen Internationale von der Erkenntnis aus, dass der Faschismus nicht die Herrschaft der Faschisten, sondern die terroristische Form bürgerlicher Herrschaft ist. … Die Monopolbourgeoisie ist die treibende und entscheidende Kraft bei der Vorbereitung und Einsetzung des Faschismus.“ Und Kurt Baumann (Leserbrief, UZ vom 2.2.2018, S. 15) assistiert den seiner Meinung nach klaren „antimonopolistischen“ Schlussfolgerungen: „Wollen wir um die Massenbasis der Monopole kämpfen, indem wir entlang der Klassenlinie Aktionseinheiten und Bündnisse organisieren, die Massenbasis von den Monopolen und deren politischen Führern entfremden oder wollen wir klassenneutral „Demokraten“ sein und Kritik an real verkommender bürgerlicher Demokratie geißeln?“

Haben Georgi Dimitroff und die Komintern gesagt, „Faschismus = Diktatur der Monopole“ und „Antifaschismus = Klassenkampf gegen das Monopolkapital?“

Die Kommunistische Internatio­nale (Komintern) hatte im Vorfeld ihres berühmten VII. Weltkongresses (1935) über mehrere Jahre intensiv an ihrer Analyse des Faschismus gearbeitet. Darauf aufbauend kam die Komintern mit zunehmender Aneignung der Leninschen Imperialismusanalyse bald zu wichtigen Erkenntnissen vom Klassencharakter und der Funktion des Faschismus zur diktatorischen Absicherung der Klassenherrschaft der Monopole und der imperialistischen Bourgeoisie.

In den Debatten um das vom VI. Weltkongress (1928) verabschiedete Programm der Komintern war vor allem die wachsende Verbindung zwischen Monopolen und imperialistischem Staat näher untersucht worden. Die Kom­intern hatte erkannt, dass das Monopolkapital in immer stärkerem Maße zu terroristischen Methoden greifen würde, um vor allem den Widerstand der Arbeiterklasse gegen die von den Interessen des Kapitals getragene Innen- und Außenpolitik zu brechen. Die Komintern kam zugleich zu der Einschätzung, dass in den hochentwickelten imperialistischen Staaten der Faschismus nicht unbedingt durch einen Putsch an die Macht kommen müsse, „sondern dass eine stufenweise Faschisierung der bürgerlich-demokratischen Herrschaftsform durch das Monopolkapital wahrscheinlicher sei.“ (Vgl. Elfriede Lewerenz: Die Analyse des Faschismus durch die Kommunistische Internationale, Frankfurt, 1975, S. 23)

Dabei gab es jedoch weiter Rückstände und Schwächen in der Analyse, über die vier Jahrzehnte später Kurt Gossweiler kritische Worte fand. Die kommunistische Faschismus-Forschung habe bis zu diesem Zeitpunkt (Dezember 1978) hervorragende Analysen zu der Periode des „Faschismus an der Macht“ erarbeitet. Aber es mangele noch immer an Untersuchungen, die konkret die Entwicklung des Masseneinflusses des Faschismus und der dazu nötigen Mechanismen und Bedingungen offenlegten. Doch das werde sich mit neuen Studien nun ändern. Dabei könne man sich auch auf die nicht systematischen alten „Äußerungen“ und „Kennzeichnungen der faschistischen Bewegungen“ durch verschiedene kommunistische Parteien und der Kommunistischen Internationale aus den 20er und 30er Jahren stützen. (Kurt Gossweiler: Aufsätze zum Faschismus, Berlin 1986, S. 514)

Eine Schlüsselrolle spielte dabei im Dezember 1933 das XIII. Plenum des Exekutivkomitees der Komintern. Bereits damals und nicht erst 1935 auf dem berühmten VII. Komintern-Kongress wurde der Faschismus als „die offene terroristische Diktatur der am meisten reaktionären, chauvinistischen und imperialistischen Elemente des Finanzkapitals“ bezeichnet. Das war ein bedeutender Erkenntnisgewinn. Der marxistische Ökonom Eugen Varga hatte nachgewiesen, dass es vor allem die Monopole der Schwerindus­trie waren, die auf die Errichtung einer uneingeschränkten Diktatur drängten. Andere monopolistische Gruppen, besonders der Konsumgüterindustrie und des Handels, bevorzugten dagegen noch die bisherigen parlamentarischen Herrschaftsmethoden. Teile der deutschen Großbourgeoisie, die dem „Zentrum“ und der SPD nahestanden, waren in der Frage des Wechsels zur gewaltsamen terroristischen Diktatur noch nicht festgelegt oder sprachen sich sogar dagegen aus. Diese exakteren Analysen über die Pläne der verschiedenen Machtgruppierungen innerhalb des herrschenden Monopolkapitals führten schließlich zu der bedeutsamen Einsicht, dass die Gefahr des Faschismus in der Hauptsache von den reaktionärsten Gruppen des Monopolkapitals ausgeht und nicht vom Großkapital schlechthin.

Demgemäß unterschied Dimi­troff auf dem VII. Kominternkongress zwischen „der“ Bourgeoisie als Gesamtklasse und ihrer ökonomisch entscheidenden Spitze, der Monopolbourgeoisie: Er benannte die tatsächlichen Hauptverantwortlichen, Hintermänner, Drahtzieher und Nutznießer der faschistischen Diktatur sehr viel genauer als nur mit dem Begriff „Monopole“ oder „Monopolbourgeoisie“. Er wiederholte dabei die Definition des VIII. Plenums des EKKI und sprach erneut von der „offenen(n), terrroristische(n) Diktatur der reaktionärsten, chauvinistischsten, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals.“ Also nicht „das Kapital“, „die Monopole“ oder „die Monopolbourgeoisie“ in ihrer Gesamtheit wurden pauschal als die Hauptverantwortlichen für den Aufbau der faschistischen Bewegung und der faschistischen Diktatur angegriffen.

Es geht vielmehr um deren reaktionärste, chauvinistischste, am meisten imperialistische Elemente. Dimitroff unterschied sehr genau zwischen den verschiedenen Spielarten nicht nur reaktionärer Parteien mit Verbindungen oder Übergängen zum Faschismus und der Partei des offenen Faschismus, sondern auch noch zwischen den verschiedenen Arten des Faschismus. Deren „reaktionärste Spielart“ sei der deutsche Faschismus. Er bezeichnete ihn als „ein Regierungssystem des politischen Banditentums“ und als „mittelalterliche Barbarei und Grausamkeit, zügellose(r) Aggressivität gegenüber den anderen Völkern und Ländern.“ (G. Dimitroff: Die Offensive des Faschismus und die Aufgaben der Kommunistischen Internationale. In VII. Kongress der Kommunistischen Internationale. Gekürztes stenographisches Protokoll, Moskau 1939, S.126)

Waren diese Differenzen innerhalb der herrschenden Kapitalistenklasse und Monopolgruppen über Variationen ihrer Machtausübung nur unbedeutende politische Schattierungen oder interne Geplänkel, die man auch „links liegen lassen“ konnte? Nein, das waren sie nicht und sind es auch heute nicht.

Es war Dimitroff selbst, der vor folgenden Fehlern warnte: „Der Machtantritt des Faschismus ist keine einfache Ersetzung der einen bürgerlichen Regierung durch eine andere, sondern eine Ablösung der einen Staatsform der Klassenherrschaft der Bourgeoisie – der bürgerlichen Demokratie – durch eine andere Form – durch die offene terroristische Diktatur. Die Ignorierung dieses Unterschiedes wäre ein ernster Fehler…“ Es ging ihm dabei aber nicht nur um die Ausnutzung von Gegensätzen innerhalb der Bourgeoisie als Gesamtklasse. Vor allem die Einstellung der Kommunisten zur bürgerlichen Demokratie stand auf dem Prüfstand. Schwere strategische Fehler in der schematischen Abwertung der Errungenschaften der bürgerlich-parlamentarischen Demokratie mussten korrigiert werden.

Die Unterscheidung zwischen verschiedenen Gruppierungen und Flügeln in der herrschenden Klasse, die bis hoch in die Spitzen der monopolistischen Bourgeoisie reich(t)en, ist auch heute von Bedeutung. Auch heute müssen wir zwischen den verschiedenen Varianten von Konservatismus, Chauvinismus, Rassismus, Xenophobie differenzieren. Die Auseinandersetzung z. B. mit der AfD muss die verschiedenen Flügel in dieser Organisation, die Unterschiede zwischen großen Teilen der Basis und den Politprofis, den sogenannten Neo- und Wirtschaftsliberalen, den Brückenbauern zum offenen Faschismus und den jetzt sich verstärkt innerhalb und um die AfD herum formierenden rechten „Arbeitervertretern“ berücksichtigen.

Die Auseinandersetzung mit dem heutigen Faschismus schließt ein, dass wir nicht mit einer schlichten „antimonopolistischen“ Grundaussage operieren können, wonach „die Monopole“ den Faschismus als ihren dicksten Knüppel nach Belieben aus der Tasche ziehen könnten. Dimitroff bleibt auch an dieser Stelle aktuell: „Genossen, man darf sich den Machtantritt des Faschismus nicht so simpel und glatt vorstellen, als ob irgendein Komitee des Finanzkapitals den Beschluss fasst, an diesem und diesem Tage die faschistische Diktatur zu errichten. In Wirklichkeit gelangt der Faschismus gewöhnlich zur Macht im gegenseitigen, zuweilen scharfen Kampf mit den alten bürgerlichen Parteien oder mit einem bestimmten Teil dieser Parteien, im Kampf sogar innerhalb des faschistischen Lagers selbst, der manchmal bis zu bewaffneten Zusammenstößen führt, wie wir das in Deutschland, in Österreich und anderen Ländern gesehen haben.“ (G. Dimitroff: a. a. O., S. 127 f.)

So war es ein tragischer und strategischer Fehler, dass die KPD schon die Papen- und Schleicher-Regierungen (erst recht natürlich SPD-geführte Kabinette) als „faschistisch“ charakterisiert hatte. Das war bereits von Wilhelm Pieck in seinem Auftakt des VII. Kominternkongresses, seinem Tätigkeitsbericht des Exekutivkomitees, sehr deutlich als das Ergebnis einer grundsätzlich fehlerhaften Einstellung der KPD zur Verteidigung der bürgerlich-demokratischen Rechte und auch der parlamentarisch verfassten Herrschaftsform in der Weimarer Republik kritisiert worden.

Haltung zur bürgerlichen Demokratie

In seiner Schlussrede auf dem VII. Kominternkongress sah sich Dimitroff auf Grund vieler Diskussionsbeiträge genötigt, die Frage erneut aufzugreifen. Dabei betonte er, „unsere Stellung zur bürgerlichen Demokratie bleibt nicht unter allen Verhältnissen gleich. … Heute greift die Konterrevolution die bürgerliche Demokratie an und ist bestrebt ein Regime der barbarischsten Ausbeutung und Unterdrückung der Werktätigen aufzurichten. Gegenwärtig haben die werktätigen Massen in einer Reihe von kapitalistischen Ländern konkret, für den heutigen Tag zu wählen nicht zwischen proletarischer Diktatur und bürgerlicher Demokratie, sondern zwischen bürgerlicher Demokratie und Faschismus.“ (G. Dimitroff: Schlusswort auf dem VII. Kongress der Komintern. In Gekürztes stenographisches Protokoll, Moskau 1939)

Diese Einschätzung gilt auch für die antifaschistische Orientierung und antimonopolistische Strategie der DKP heute. Es geht um das Verständnis dafür, dass es keinen Gegensatz zwischen unserer antifaschistischen und antimonopolistischen Orientierung und der Verteidigung der (bürgerlichen) Demokratie gegen die Angriffe von ul­trarechts gibt. Das schließt ein, dass wir nicht nur (widerwillig) akzeptieren, sondern auch politisch bewusst damit umgehen, dass die antifaschistischen Motive für Widerstand sich aus unterschiedlichen politischen und praktischen Erfahrungen speisen können, aus bürgerlich-demokratischen, christlichen oder vielleicht einfach aus antiautoritäten Grundhaltungen gegen die absolute Vereinnahmung durch ein diktatorisches Regime.

Wenn studentische und andere jugendliche Hitler-Gegner sich z. B. in der „Weißen Rose“ oder in der Kölner Gruppe der „Edelweißpiraten“ zusammenschlossen und Widerstandsaktionen durchführten, dann war das ein nicht minder heroischer Widerstand als der des kommunistischen Widerstands. Wenn ein Christ und evangelischer Pastor wie Dietrich Bonhoeffer sein Leben für einen anderen KZ–Häftling anbot, wenn ein politisch konservativ denkender Militär wie Graf von Stauffenberg mit Gleichgesinnten eine Militäraktion gegen das Nazi-Regime vorbereitete, dann war es ebenso mutig und wertvoll wie der Kampf von Kommunistinnen und Kommunisten in der französischen Résistance oder in den Partisanenverbänden Jugoslawiens, Italiens und Griechenlands, die wussten, dass dies auch ein Kampf gegen das Groß- und Rüstungskapital war.

Und wenn heute bürgerliche Demokraten und Antifaschisten, wenn das Lager des alten und des neuen Sozialdemokratismus, gemeinsam mit wichtigen Teilen der DGB-Gewerkschaften eine Bewegung wie „Aufstehen gegen Rechts“ initiieren, an deren Inhalt wir zu Recht einiges zu bemängeln haben, dann ist das zunächst einmal als Ausdruck von antifaschistischem Engagement anzusehen und positiv aufzugreifen. Es ist Ausdruck des bereits von Dimitroff und Wilhelm Pieck kritisierten „kommunistischen Hochmutes“, wenn wir uns dabei in erster Linie auf eine Position der Kritik und Besserwisserei zurückziehen.

Mehner kritisiert, dass in einem UZ-Beitrag vom 13.10. vergangenen Jahres dazu aufgerufen worden sei, „die Menschen auf Grundlage ‚der bürgerlich-demokratischen und parlamentarischen Gesellschaftsordnung‘ (also des kapitalistischen Systems) in den Kampf gegen Faschismus und Krieg zu führen“. Erst nach langem Suchen in der besagten UZ-Ausgabe stieß ich auf die Quelle, die dieses Verdammungsurteil begründen soll. Es handelt sich dabei um eine unvollständig wiedergegebene Passage aus einer Rede des amtierenden Bundesprechers der VVN-BdA, Ulrich Sander. Hatte er tatsächlich zur „Verteidigung des Kapitalismus“ als Basis eines antifaschistischen Grundkonsenses aufgerufen? Bei Sander lese ich: „Die allgemeine Schlussfolgerung der Antifaschistinnen und Antifaschisten seit den Jahren 1933/34 war auch, die „Errungenschaften“ (Hervorhebung HPB) der bürgerlich-parlamentarischen Gesellschaftsordnung zu verteidigen und auf ihrer Grundlage die Menschen in den gemeinsamen Kampf gegen Krieg und Faschismus zu führen“. Sander ruft also, wie schon Max Reimann bei der Verabschiedung des Grundgesetzes angekündigt hatte, dazu auf, den ursprünglichen antifaschistischen Gehalt der Verfassung zu verteidigen. Er und nicht nur er, sondern die KPD und auch die DKP nach ihrer Neukonstituierung haben bis heute Reimanns Worte nicht vergessen.

Wie kann man das dann so ignorieren und verdrehen?

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"Antifaschismus und die Strategie der DKP", UZ vom 9. Februar 2018



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