Dürfen zwei Nordbremer Grünwege nach ermordeten Antifaschisten heißen? Vom ständigen Kampf um die Erinnerung

Antifa und Ortsbeirat

Von Lars Mörking

Zwei Antifaschisten

Die Widerstandskämpfer und KPD-Mitglieder Leo Drabent (* 15. Juni 1899 in Blumenthal/Unterweser) und Hans Neumann (* 5. Oktober 1908 in Aumund, Landkreis Blumenthal) organisierten ein Widerstandsnetz der Bremer Werften in Verbindung mit der Bästlein-Jacob-Abshagen-Gruppe in Hamburg. Drabent war Maschinenschlosser, sein Freund Neumann Tischler. Beide wurden 1944 vom Volksgerichtshof wegen Zersetzung der „Widerstandskraft des deutschen Volkes durch kommunistische Propaganda“ zum Tode verurteilt. Die Faschisten köpften Leo Drabent und Hans Neumann am 20. November 1944 im Zuchthaus Brandenburg-Görden.

Peter Nowack hat ein Ultimatum gestellt: Bis Ende letzter Woche sollten die Schilder weg. Schließlich leitet der Sozialdemokrat Nowack das Ortsamt von Blumenthal in Bremen, und die Schilder hat er nicht genehmigt.

Aufgestellt hat sie Gerd-Rolf Rosenberger, DKP-Mitglied, aktiv in der „Initiative Nordbremer Bürger gegen den Krieg“, gemeinsam mit einem befreundeten Handwerker, der die Schilder gefertigt hat. Ohne offizielle Erlaubnis hat er zwei Grünwege nach den von den Nazis ermordeten Kommunisten Leo Drabent und Hans Neumann benannt (siehe Kasten). Und er hat die Schilder nicht wieder abgebaut – trotz Ultimatum.

Fünfeinhalb Jahre hat Rosenberger darauf gewartet, dass der Ortsamtsbeirat die beiden ermordeten Antifaschisten ehrt, indem Wege oder Straßen nach ihnen benannt werden. Der Beirat fasste einen entsprechenden Beschluss, aber es passierte nichts. Die Anwohner müssten befragt werden, man finde keinen geeigneten Ort und auf den Vorschlag, dann eben eine Stele zum Gedenken aufzustellen, verwies das Amt auf die leeren Kassen.

Gerd-Rolf Rosenberger hat alle Hürden aus dem Weg geräumt: Auf einer Veranstaltung, unterstützt vom Schauspieler Rolf Becker, spendeten die Besucher das nötige Geld – 2 600 Euro. Auch zwei Grünwege ohne Anwohner waren schnell gefunden. Und die grünen Wegeschilder für Drabent und Neumann verstoßen gegen keine Vorschrift, sie sind solide gefertigt und lassen sich nicht mit Verkehrsschildern verwechseln.

Mitte Dezember letzten Jahres kamen 30 Bürgerinnen und Bürger zur Einweihung – „nicht die üblichen Verdächtigen“ wie Rosenberger betont – trotz extremer Glätte. Den „Leo Drabent Weg“ und den „Hans Neumann Weg“ benutzen u. a. die Bewohner eines angrenzenden Wohnkomplexes, in dem vor allem Arbeiter leben. Arbeiter, die eher in schlecht bezahlten Jobs arbeiten, eher prekär als fest angestellt, eher ohne deutschen Pass. In der Nähe liegt u. a. die Tami-Oelfken-Schule, benannt nach einer Blumenthaler Pädagogin, die in Berlin 1928 eine Gemeinschaftsschule gründete, die 1934 wegen „kommunistischer und judenfreundlicher Tendenzen“ geschlossen wurde. Für Rosenberger und seine Mitstreiter ist das ein Ort, der richtig ist, um Arbeiter und Widerstandskämpfer zu ehren.

Nun stehen die Schilder für Leo Drabent und Hans Neuman seit über zwei Monaten, weil es offensichtlich keinen Grund gibt, sie zu entfernen. Nur Ortsamtsleiter Peter Nowack (SPD) ist weiterhin der Meinung, dass die Schilder weg müssen, weil er sie nicht genehmigt hat. Die Mehrheit des Ortsamtsbeirats folgte dieser Auffassung und beschloss am vergangenen Montag, eine nachträgliche Genehmigung der Schilder zu verweigern.

Auf Nowacks Forderung angesprochen, er solle die Schilder selbst wieder abbauen, reagiert Rosenberger unmissverständlich: „Schilder zum Gedenken an zwei ermordete Antifaschisten demontieren? Diese Drecksarbeit machen wir nicht – das müssen sie dann schon selber tun.“ Auf die Frage, was passiert, wenn der Ortsamtsleiter wirklich die Schilder abbauen lässt, reagiert Rosenberger gelassen. Für diesen Fall haben das regionale Fernsehmagazin „buten un binnen“, die taz, der Weser-Kurier und andere bereits darum gebeten, von ihm informiert zu werden. Sie alle haben über den „Schilderkrieg im Norden“ (taz Bremen) berichtet. Sogar die Grünen haben sich mit Rosenberger solidarisiert und jüngst die Partei „Die Linke“. Auch sie ist der Auffassung, dass Ortsamtsleiter Nowack einlenken sollte.

Zwei DKP-Genossen fahren täglich die beiden Wege ab, um zu überprüfen, ob die Schilder noch hängen. Unterstützt werden sie von einem alten Sozialdemokraten, dessen Onkel KPD-Mitglied war und deshalb von den Faschisten über vier Jahre lang im KZ Buchenwald eingesperrt wurde.

Die Blumenthaler um Gerd-Rolf Rosenberger haben viel dafür getan, eine Demontage so schwer wie möglich zu machen. Sollten die Schilder dennoch demontiert werden, „dann ist der Kampf damit nicht zu Ende“, sagt Rosenberger.

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"Antifa und Ortsbeirat", UZ vom 16. Februar 2018



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