Die Neue Seidenstraße 2025, Teil 1: Die Vernetzung Eurasiens • Von Uwe Behrens

Anti-Blockade-System

Uwe Behrens

Vor einigen Jahren erklärten westliche Medien die Neue Seidenstraße oder auch „Belt and Road Initiative“ (BRI) für im Sterben begriffen. Und der deutsche Regierungsinformationsdienst „German Trade & Invest“ freut sich aktuell in der Ausgabe vom 13. Februar: „Chinas neue Seidenstraße schrumpft.“ Tatsächlich wurden von Januar bis November 2024 nur noch 1.007 anstatt wie im Jahr 2023 1.214 neue Projekte abgeschlossen.

Was hat sich geändert? Die Abkehr von den niedrigen Zinsen auf den US-Dollar hat die Schuldenlast der Entwicklungsländer für langfristige Kredite erhöht. Einige große Infrastrukturprojekte belasteten die Länder, zum Beispiel Angola, Sambia, Nigeria, Kamerun und Kenia. Die Volksrepublik China nahm umfangreiche Umschuldungen und Umstrukturierungen bestehender Kredite vor. Um weitere Schuldenlasten zu vermeiden, konzentrierte sich die BRI auf kleinere Projekte mit kürzeren Amortisationszeiten, insbesondere auf den Ausbau von verarbeitender Industrie. Der Slogan „small but beautiful“ wurde kreiert.

Mehr als 140 Länder auf allen Kontinenten sind als Mitglieder der BRI registriert. So unbedeutend kann die Neue Seidenstraße nicht geworden sein, wenn sich der neue US-Präsident Donald Trump bereits am ersten Tag seiner Präsidentschaft damit beschäftigt und seinen Außenminister Marco Rubio in ein BRI-Mitgliedsland schickt. Rubio sollte das Land unter Druck setzen, damit es seine BRI-Mitgliedschaft kündigt. Es handelt sich dabei um Panama.
In diesem Jahr kann die Initiative auf zwölf Jahre Erfolg zurückblicken. Das sollte Anlass sein, nochmals daran zu erinnern, warum und mit welchen Motiven die Initiative gegründet wurde.

2011 verkündete der damalige US-Präsident Barack Obama die „Wende nach Asien“. Chinas wirtschaftliche Kraft wuchs, aber vor allem entwickelte China bessere Beziehungen sowohl zu den südostasiatischen und zentralasiatischen Ländern als auch zu Russland. Britische und US-amerikanische Geostrategen hatten bereits seit Jahrzehnten davor gewarnt, dass es für die Vorherrschaft der Imperien außerhalb Eurasiens wichtig sei, breite Kooperation innerhalb Eurasiens zu verhindern. Es galt, die Kontrolle der USA über China und die südostasiatischen Länder auszubauen. Der nächste Schritt erfolgte prompt: Am 22. September 2011 stellte die US-Außenministerin Hillary Clinton die Vision der „New Silk Road Initiative“ vor. Diese sah vor – ausgehend von einem unter US-Einfluss stehenden Afghanistan –, die wirtschaftlichen und militärischen Aktivitäten in Zentralasien auszuweiten sowie China von Russland zu trennen.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt musste China darauf reagieren, dass es politisch, wirtschaftlich und militärisch eingekreist werden sollte. Es wurde ein Plan entwickelt, den US-amerikanischen Absichten mit friedlichen Mitteln entgegenzutreten. Im Jahr 2013 verkündete der chinesische Präsident Xi Jinping das Projekt der Neuen Seidenstraße. Damit sollen die Handelsbeziehungen mit dem globalen Süden ausgebaut werden, insbesondere mit den Ländern Südost- und Zentralasiens, mit der Zielsetzung, die Rohstoffversorgung zu sichern. Aber auch neue Absatzmärkte für die eigenen Produkte sollten entstehen. Die Überlegung war, dass die Menschen nur dann chinesische Produkte kaufen können, wenn die beteiligten Länder sich entwickeln und Arbeitsplätze geschaffen werden. Sie sollten also auf ihrem Weg zur Industrialisierung und zu Wohlstand unterstützt werden.

Eine wahre Win-Win-Kooperation entsteht: China kauft Rohstoffe und liefert Infrastruktur, baut eine Fertigungsindustrie auf und liefert Produkte des täglichen Bedarfs. Dabei handelt es sich nicht nur um günstige Textilen oder Elektroartikel, sondern auch um Maschinen, Computer und Fabrikanlagen. Die an der BRI beteiligten Länder in Südost- und Zentralasien litten bis dato unter einer unzureichenden Infrastruktur, die die Entwicklung des Handels hemmte. Die chinesischen Vorschläge fielen daher auf fruchtbaren Boden.

Anders die USA, die ihre militärische Präsenz im Pazifik und im Südchinesischen Meer verstärkten. Damit kontrollieren sie die neuralgischen Seepassagen, durch die bis zu 80 Prozent des chinesischen Handels transportiert werden. China braucht Alternativen zu den Handelsrouten durch die Straße von Malakka, an der Südspitze des indischen Subkontinents und am Horn von Afrika. Deshalb mussten die zentralasiatischen Eisenbahnverbindungen, Pipelines sowie Häfen aus- beziehungsweise aufgebaut werden.

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Der elektrische Hochgeschwindigkeitszug verbindet die indonesischen Städte Jakarta und Bandung. Er wurde 2023 in Betrieb genommen. (Foto: Xinhua/Xu Qin)

In den ersten Jahren der BRI begann China damit, die Haupteisenbahnverbindungen durch Kasachstan nach Russland und in andere europäische Länder auszubauen, um damit eine Alternative zum Seetransport sowie zur Transsibirischen Eisenbahn zu schaffen. In umgekehrter Richtung wurden Pipelines für den Öl- und Gastransport aus Kasachstan und Usbekistan gelegt. Gleichzeitig investierte China dort in Sonderwirtschaftszonen und Fabriken. Der Verkehr in der Region hat zugenommen, Grenzübergänge werden gegenwärtig massiv ausgebaut, neue Transportrouten eröffnet.

Eine neue Eisenbahnstrecke nach und durch Kirgisistan ist im Bau. Eine direkte Straßenverbindung zwischen China und Afghanistan nimmt Gestalt an. Auf chinesischer Seite gibt es bereits eine Abzweigung vom Karakorum-Highway. Auf afghanischer Seite wird die Straße durch den schwer zugänglichen Wakhan-Korridor durch das Hochgebirge geführt. Weiter südlich verläuft der Wirtschaftskorridor China–Pakistan mit einer Straßen- und Pipelineverbindung zum wichtigen pakistanischen Hafen Gwadar am Ausgang des Golfs von Oman.

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Übersicht über die Eisenbahn-Streckenvarianten, die China mit Kambodscha, Laos und Vietnam sowie mit Malaysia, Singapur, Thailand und Indonesien verbinden. (Foto: Classical geographer / Wikimedia / CC BY-SA 3.0)

China unterhält bereits enge wirtschaftliche Beziehungen mit Afghanistan und versucht, dem Land zu helfen, aus der Armut, den Folgen der NATO-Besatzung und dem anhaltenden Embargo-Terror herauszuwachsen. Aus eigenem Interesse: Mit der Schaffung von Wohlstand und Stabilität will China die Terrorismusgefahr bekämpfen.

Für den Handel zwischen China und Südeuropa, insbesondere der Türkei sowie den osteuropäischen Ländern, wird eine Alternative zum Seeverkehr ausgebaut. Es handelt sich dabei um einen so- genannten „Mittleren Eisenbahnkorridor“ über Kasachstan und das Kaspische Meer mit einer Fährverbindung nach Aserbaidschan. Der Iran spielt dabei als Verkehrsknotenpunkt eine immer wichtigere Rolle. Eine neue Eisenbahnlinie durch Aserbaidschan parallel zum Kaspischen Meer und ein neuer Hafen am Golf von Oman für die Verschiffung russischer Güter nach Indien sind im Bau. Über diesen „Nord–Süd-Korridor“ werden bereits heute umfangreiche Transporte abgewickelt, um nicht durch die westlichen Sanktionen gegen Russland behindert zu werden. Gleichzeitig verkürzt diese Route die Transitzeit gegenüber dem Seeweg um mehrere Wochen.

Die Mitglieder der ASEAN-Gruppe, ein Zusammenschluss von zehn südostasiatischen Ländern, sind bereits seit neun Jahren die wichtigsten Handelspartner Chinas. Der Handel zwischen China und den ASEAN-Ländern betrug 2023 rund 20 Prozent des chinesischen Außenhandels und übertrifft damit den Handel mit der EU und mit den USA. Traditionell verläuft der Transport auf dem Seeweg und nimmt mehr Zeit in Anspruch als Bahntransporte. Außerdem könnte der Seehandel durch die NATO-Präsenz im Südchinesischen Meer blockiert werden.

Um dem zu begegnen, haben die ASEAN-Staaten gemeinsam mit China begonnen, das Schienennetz massiv auszubauen. Nach Vietnam wird – neben den schon in Betrieb befindlichen alten Strecken – eine zusätzliche, 403 Kilometer lange Verbindung nach Hanoi gebaut. Die Bahnverbindung in die laotische Hauptstadt Vientiane wurde 2023 in Betrieb genommen. Ende letzten Jahres vereinbarten Laos, Thailand und China, diese Strecke bis Bangkok zu verlängern. Eine Anschlussstrecke durch Malaysia bis nach Singapur wird bis 2026 fertiggestellt. Eine östliche Route verläuft von Südchina nach Myanmar, zum Hafen Yangon sowie zum neu ausgebauten Hafen Kyaukphyu. Über das Schienennetz laufen bereits heute die Lieferketten für die Elektroautofabriken und die Fabriken der Digitalwirtschaft in Vietnam, Malaysia und Thailand.

Teil II erscheint in der kommenden Ausgabe von UZ

Das Buch „Der Umbau der Welt – Wohin führt die Neue Seidenstraße?“ von Uwe Behrens ist im Verlag edition ost erschienen (2022, 256 Seiten). Es ist für 18 Euro im UZ-Shop erhältlich.
Am 19. Mai 2025 erscheint sein neues Buch „Chinas Gegenentwurf – Ein Weg in die Zukunft?“.

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"Anti-Blockade-System", UZ vom 28. Februar 2025



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