Für die Befreiung Europas vom Hitlerfaschismus zahlten die Völker der Sowjetunion mit ihrem Blut – über 14 Millionen Ziviltote. Auf den Schlachtfeldern des Zweiten Weltkriegs ließen nach dem Überfall der faschistischen Wehrmacht am 22. Juni 1941 fast 10 Millionen Rotarmisten ihr Leben. In deutschen Kriegsgefangenenlagern starben über 3,3 Millionen der 5,73 Millionen sowjetischer Lagerinsassen.
Die Regeln des Genfer „Abkommens über die Behandlung der Kriegsgefangenen“ vom 27. Juli 1929 galten für diese Gefangen nicht. Im Geheimbefehl des Oberkommandos der Wehrmacht vom 8. September 1941 hieß es: „Zum ersten Male steht dem deutschen Soldaten ein nicht nur soldatisch, sondern auch politisch (…) geschulter Gegner gegenüber. (…) Der bolschewistische Soldat (hat) jeden Anspruch auf Behandlung als ehrenhafter Soldat und nach dem Genfer Abkommen verloren.“ Das System der Stammlager (StaLag) zog sich ab Herbst 1941 wie ein Netz über das gesamte Reichsgebiet. Die sogenannten „Russenlager“ wurden mit einfachsten Mitteln errichtet, Baracken waren die Ausnahme, die Gefangenen hausten in Erdhügeln.
Die Sterberegister in den Jahren 1941/1942 verzeichnen „in der Erdhöhle erstickt“ als häufige Todesursache. Im KZ Auschwitz-Birkenau waren Rotarmisten die Ersten, an denen die SS die Wirkung von Zyklon B testete. Jene, die nicht an Hunger, Ruhr, Typhus oder Auszehrung starben, wurden als Arbeitssklaven in der Rüstungsindustrie eingesetzt. Alleine in den Ruhrbergwerken starben von Juli bis November 1943 30.000 Rotarmisten. Für Rotarmisten, die eine politische Funktion ausgeübt hatten, galt der berüchtigte „Kommissarbefehl“: Sie waren „sofort mit der Waffe zu erledigen“. Da für Sowjetsoldaten die in der Genfer Konvention vorgeschriebene Erdbestattung im Einzelgrab außer Kraft gesetzt war, wurden unzählige tote Rotarmisten in Massengräbern verscharrt.
Im Artikel 18 des „Vertrages über gute Nachbarschaft“ zwischen der Sowjetunion und Deutschland vom 9. November 1990 verpflichtete sich die Bundesregierung, Ehrenmäler und Grabstätten sowjetischer Kriegsopfer unter besonderen Schutz zu stellen. Zwei Jahre später wurde diese Verpflichtung durch das deutsch-sowjetische Abkommen über die Kriegsgräberfürsorge bekräftigt. Das aus dem Juli 1965 stammende „Gesetz über die Erhaltung der Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“ (Gräbergesetz) galt ab diesem Zeitpunkt auch für die auf dem Gebiet der annektierten DDR gelegenen 574 Grabstätten. Der Bund gab alle Aufgaben, die mit Erfassung, Erhalt und Pflege der Gräber und Grabdenkmäler in Zusammenhang standen, über die Länder an die jeweiligen kommunalen Organe (Ordnungsämter der Stadt- und Landkreisverwaltungen) weiter.
Die gegenüber der Sowjetunion eingegangene Verpflichtung interessierte die Bundesregierung fortan nicht mehr: „Die genaue Zahl der Gedenkstätten und ihre heutige Verteilung im einzelnen ist der Bundesregierung nicht bekannt“, hieß es in einer Stellungnahme an das Parlament vom 26. März 1998. Der Etat des Bundesfamilienministeriums weist alljährlich finanzielle Mittel in Millionenhöhe aus, die nach dem Schlüssel der „Gräberpauschalenverordnung“ auf die Länder verteilt werden (zwischen 90.000 Euro für Bremen bis zu circa 5 Millionen Euro für Nordrhein-Westfalen).
Abgesehen von einzelnen Prestigeprojekten (Restauration des Teltower Ehrenmals in Berlin, veranschlagt mit 19 Millionen Euro) verliert sich ein Aufschluss über die konkrete Mittelverwendung im Dickicht kommunaler Zuständigkeiten. Das liegt gerade auch daran, dass sich die Gräberpauschalen auf alle Kriegsgräber beziehen, auch auf deutsche. Und auch auf Ruhestätten deutscher Kriegsverbrecher, denn – so heißt es in einer Erklärung der Bundesregierung vom 22. Mai 2019 – „der Erhalt und die Pflege der Gräber von SS- und Wehrmachtsangehörigen“ diene dazu, „die Erinnerung an die Gräuel des Zweiten Weltkrieges und ihre Täter ebenso wie die schrecklichen Folgen von Krieg und Gewaltherrschaft wachzuhalten“.
Grabstellen sowjetischer Opfer liegen meist abseits der Hauptwege der Friedhöfe, sie sind als anonyme Massengräber nicht näher gekennzeichnet und fast durchgängig fehlen Hinweise auf geschichtliche Zusammenhänge. Orte, auf die man nur durch Zufall stößt. Wenn es überhaupt zu nennenswerten Erhaltungs- oder Pflegemaßnahmen kommt, ist dies allein auf die Aktivitäten örtlicher Initiativen oder die Tätigkeit ehrenamtlicher Mitarbeiter der Kriegsgräberfürsorge zurückzuführen. Monumente und Denkmäler, für die das Denkmalschutzgesetz gilt, sind in ihrem Erhalt ständig bedroht. Ob sie bleiben oder einer neuen Straße, einer Gewerbeansiedlung, einem Neubaugebiet weichen müssen, entscheiden Stadtratsmehrheiten.
Im Westen beförderten Kalter Krieg und der latente Antikommunismus als Staatsdoktrin das Vergessen. Von sowjetischer Seite mehrten sich daher schon in den 1970er Jahren die Beschwerden über die unzureichende Pflege der Gräber. Im Osten gingen viele Kommunen nach der Annektion der DDR daran, mit der Erinnerung an den ersten deutschen Friedensstaat auch das Gedenken an die Befreier zu tilgen.
Für rote Sterne, Hammer und Sichel war kein Platz mehr, sie störten die trügerische Ruhe der behäbig-bürgerlichen Stadtästhetik. Im thüringischen Greiz beschloss der Stadtrat 2006 mit 16 gegen 10 Stimmen die Entfernung der 1971 errichteten Bronzeplastik „Kampf und Befreiung vom Faschismus“ des Berliner Bildhauers Jürgen Raue am Eingang des Stadtparks und ihre Verbannung auf eine abgelegene Stelle des Friedhofs. Begründung: „Störung der heiteren Parkstimmung“ – und bevorstehende Bundesgartenschau.