Gute Nachrichten aus dem östlichen Mittelmeer? Sowohl in Ankara als auch in Athen bestätigten Regierungsstellen am 22. September, man habe sich geeinigt, im Konflikt um die Erdgasvorräte in der Region in Kürze Verhandlungen aufzunehmen. Kann die Gefahr einer militärischen Konfrontation zwischen Griechenland und der Türkei, die zuletzt drohte, nun endlich eingedämmt, kann der Konflikt womöglich sogar gelöst werden? Nun, man wird sehen.
Unabhängig davon ist eins in den vergangenen Wochen und Monaten klar geworden: Der Konflikt, der jüngst im Streit um die Erdgasvorräte im östlichen Mittelmeer zutage getreten ist, sitzt tief. Zentrale Bedeutung hat in ihm tatsächlich die Türkei – und das nicht nur, weil ihr rabiater Präsident wilde Ansprüche stellt. Die Türkei hat ihr ökonomisches Gewicht, gerade auch im Vergleich zum Westen, in den vergangenen zwei Jahrzehnten deutlich steigern können. Darauf stützt sie den Versuch, eine eigenständige Machtpolitik zu betreiben, die – aufbauend auf der Expansion ihrer Wirtschaft – vor allem in die Länder der islamischen Welt zielt. Da sie häufig Länder im Visier hat, die einst zum Osmanischen Reich gehörten, wird Ankaras neue expansive Politik nicht selten mit dem Etikett „neoosmanisch“ versehen. Recep Tayyip Erdogan ist dabei – siehe das Vorgehen seiner Regierung in Nordsyrien, im Irak, in Libyen – so ziemlich jedes Mittel recht. Hinzu kommt, dass – auch auf Drängen der Militärs – die Türkei sich mittlerweile auch als Seemacht zu etablieren sucht; in der Propaganda wird das gern mit dem Begriff „mavi vatan“ („Blaue Heimat“) verknüpft.
Die expansive Politik der Türkei kollidiert dabei nicht nur mit griechischen Interessen, sondern auch mit den Expansionsinteressen anderer Staaten – mit denjenigen Frankreichs etwa. Paris, das das Mittelmeer seit je als besonderes Einflussgebiet betrachtet, bemüht sich seit geraumer Zeit, seine Aktivitäten in diversen Ländern der Region zu verstärken. Das gilt für Libyen und zuletzt in besonders auffälliger Weise für den Libanon, wo sich Präsident Emmanuel Macron nach der Explosionskatastrophe von Beirut aufspielte, als sei das Land noch französisches Mandatsgebiet. Das gilt aber auch für den Irak, wo der Präsident kürzlich Frankreich als Alternative zu iranischem sowie US-amerikanischem Einfluss empfahl. Beobachter spekulieren über eine Art Neuauflage der de-Gaulleschen „politique arabe“. Nur: Sowohl in Libyen als auch im Irak – vor allem im kurdisch dominierten Norden – und mittlerweile sogar im Libanon weitet die Türkei ihre „neoosmanische“ Einflussarbeit stark aus, rivalisiert also mit Frankreich. Dass Paris sich im östlichen Mittelmeer offensiv gegen Ankara positioniert, hat tiefere Gründe als angebliche Solidarität mit dem EU-Mitglied Griechenland.
In ihrer praktischen Einflussarbeit stützt sich die türkische Regierung unter Erdogan stark auf die Strukturen der Muslimbruderschaft, die in weiten Teilen der arabischen Welt erheblichen Einfluss hat und deren Strukturen auch die türkische Regierungspartei AKP entstammt. Das bringt sie in Konflikt zu Regierungen, die ihrerseits in erbitterter Opposition zu der Organisation stehen. Dazu zählen die in Ägypten herrschenden Militärs, die sich im Juli 2013 per Putsch gegen die Muslimbrüder-Regierung unter Präsident Mohamed Morsi die Macht sicherten, und das Regime der Vereinigten Arabischen Emirate, das die Bruderschaft zur Sicherung seiner Herrschaft ebenfalls bis aufs Blut bekämpft. Nun hat sich in aller Form das EastMed Gas Forum gegründet, ein Zusammenschluss von Ländern, die im östlichen Mittelmeer Erdgas fördern – Zypern, Ägypten, Israel –, und solchen, die es kaufen wollen – Jordanien, Griechenland, Italien. Zuvor hatten die Emirate gemeinsam mit Griechenland Luftmanöver abgehalten. Die ungewohnten Strukturen, die da erkennbar werden, haben eins gemeinsam: Sie richten sich gegen das Erstarken der Türkei.