Entwicklungsdienstleister IAV: Ingenieure vor Tarifkonflikt

Angriff statt Angebot

Von Björn Schmidt

Nachdem bei VW eine ähnliche Tariferhöhung wie in der Metall- und Elek­troindustrie abgeschlossen wurde, konnte die IG Metall auch für VW-Tochterunternehmen die jeweiligen Haustarife erhöhen. In kurzer Zeit kam es zu Tarifabschlüssen bei den hundertprozentigen Töchtern Sitech, AutoVision, AutoVision Zeitarbeit, Autostadt und Wolfsburg AG.

Beim Auftakt der Verhandlungen mit dem zu 50 Prozent im VW -Besitz befindlichen Entwicklungsdienstleister IAV mit Sitz in Berlin kam es hingegen nach Angaben der IG Metall Niedersachsen-Sachsen-Anhalt zu einem Eklat. Anstelle eines vergleichbaren Angebots wie in der Metall- und Elektroindustrie und bei VW legte die IAV Geschäftsführung Forderungen nach Absenkung der Einstiegsgehälter und der Veränderung im System der tarifvertraglichen Höherstufungen auf den Tisch. Nach der gescheiterten Verhandlungsrunde äußerte Thilo Reusch, Verhandlungsführer der Arbeitnehmerseite: „Die IAV GmbH hat ihr Geschäftsmodell bislang vorwiegend auf der Qualität ihrer Dienstleistungen aufgebaut. Damit hat das Unternehmen regelmäßig zweistellige Millionenbeträge erwirtschaftet und tut es immer noch. Top-Qualität ist aber nur mit angemessenen Tarifentgelten zu haben. Wir werden keinen Einstieg in den Ausstieg aus unseren Tarifverträgen akzeptieren“.

IAV hat bundesweit rund 6500 Beschäftigte, davon 3500 am größten Standort in Gifhorn bei Wolfsburg. 70 Prozent der Beschäftigten sind Ingenieure. Die IG Metall konnte bereits 1989 einen Haustarifvertrag abschließen, musste vor wenigen Jahren allerdings auch Verschlechterungen wie eine Arbeitszeiterhöhung von 36 auf 38 Stunden hinnehmen. Bundesweit Schlagzeilen machte der 2015 abgeschlossene IAV-Studententarifvertrag, mit dem die IG Metall Entgelterhöhungen, Ausbildungspläne und Übernahmeregelungen für Werksstudenten erkämpfte.

Die in den letzten Jahren stark gewachsenen Entwicklungsdienstleister (EDL) – mit bundesweit über 70000 Beschäftigten allein in der Automobilbranche – haben auch den 23. IG-Metall-Gewerkschaftstag im letzten Oktober beschäftigt. In ihrer Rede vor den Delegierten wies die Gifhorner IG-Metall-Vertrauenskörperleiterin Sabine Irmler auf den Druck auf die Entgelte hin, den die Kollegen spüren, wenn sich nicht wesentlich mehr Belegschaften organisieren und Tarife abschließen. „Unsere Mitbewerber unterbieten uns, wo sie nur können, zum Teil sehr deutlich. Denn sie arbeiten ohne Tarifvertrag und ohne Betriebsrat. (…)Wir IAV Betriebsrätinnen und Betriebsräte unterstützen die Kampagne der IG Metall gegen den Missbrauch von Werkverträgen, und wir unterstützen auch Kolleginnen und Kollegen der anderen Entwicklungsdienstleister, die einen Betriebsrat gründen wollen. Zusammen mit Betriebsräten anderer EDL-Unternehmen haben wir dazu am 1. Oktober dieses Jahres eine Erklärung unterschrieben. Bei IAV haben wir Standards gesetzt, die wir als gutes Beispiel für die EDL-Branche sehen, damit dem Missbrauch von Werkverträgen mit Tarifverträgen klare Grenzen gesetzt werden.“

Die Organisierung der hochqualifizierten Beschäftigten der EDL hat sich die IG Metall seit längerem auf die Fahne geschrieben. Auf regelmäßigen Engineering-Tagungen tauschen sich Betriebsräte und Vertrauensleute der Branche aus. Bislang konnte die IG Metall dabei stets die Vorbildfunktion der IAV-Tarifverträge für andere EDL-Unternehmen betonen. Auch deswegen schlägt die Wolfsburger Verwaltungsstelle der IG Metall kämpferische Töne an, wenn sie feststellt: „Die Arbeitgebervertreter sollten sich bis zum nächsten Termin gut überlegen, ob sie diese Position aufrecht erhalten wollen. Das Unternehmen steuert sonst auf einen ernsten Tarifkonflikt zu.“

Der nächste Verhandlungstermin ist für den 10. Juni vereinbart. Unterstützung im Tarifkonflikt kann die IAV-Belegschaft dabei von der VW-Belegschaft erwarten. Unter großem Applaus hatte sich Bernd Osterloh, VW-Gesamt- und Konzernbetriebsratsvorsitzender mit den Kolleginnen und Kollegen von IAV auf einer Betriebsversammlung am Gifhorner Standort in der letzten Woche solidarisiert.

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"Angriff statt Angebot", UZ vom 10. Juni 2016



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