Zehn Millionen Menschen in Kurzarbeit und inzwischen knapp drei Millionen vollständig arbeitslos – dieser in der Geschichte der Bundesrepublik bisher einmalige Zusammenbruch des Arbeitsmarktes hat nicht nur dem Vorstandsvorsitzenden der Agentur für Arbeit, Detlef Scheele. nach eigenen Worten „ein bisschen den Atem stocken lassen“.
Angesichts der Entwicklung der Weltwirtschaft, dem drohenden Verschwinden der Absatzmärkte innerhalb und außerhalb der EU, dem wahrscheinlich angesichts der weiterhin geltenden Restriktionen für Gastronomie, Touristik und Kulturbetriebe dauerhaften Krisenzustand dieser Branchen ist zu erwarten, dass ein Großteil der jetzt Kurzarbeitergeld beziehenden Menschen in einigen Monaten nicht an ihre Arbeitsplätze zurückkehren, sondern die Zahlen der Arbeitslosen weiter anschwellen lassen werden.
Das Instrument der Kurzarbeit ist in den letzten Wochen über den grünen Klee gelobt worden. Richtig ist: Es ist besser als Arbeitslosigkeit. Aber richtig ist auch: Selbst die Aufstockung auf 80 oder, wie in einer Reihe von Branchen per Tarifvertrag geregelt, 90 Prozent bedeutet eben einen wochen- oder monatelangen Rückgang des monatlichen Familieneinkommens um 10, 20 oder gar 40 Prozent. Wie sollen das Köche mit einem Durchschnittsverdienst von monatlich brutto 2.199 oder Hotelfachkräfte mit einem von 2.135 Euro durchhalten? Und die 190.000 Solo-Selbstständigen allein im Kulturbereich beziehen nicht einmal Kurzarbeitergeld und sind gleich mit Krisenbeginn fast vollständig in Hartz IV gerutscht.
Wie Bluthunde die Angst des gejagten Wildes wittern, so wittern die Strippenzieher des Kapitals Morgenluft für einen Generalangriff aus dem Nebel der Corona-Ängste heraus. In einem Konzept der „Fraktionsarbeitsgruppe Wirtschaft“ der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird empfohlen, den Mindestlohn abzusenken, „mindestens aber eine Erhöhung für 2021 auszusetzen“. Aus allen Ecken schallt uns mit Blick auf die kommenden Tarifrunden schon jetzt die Forderung nach Lohnverzicht entgegen. Einflussreiche Kräfte werben dafür, nicht erst zu warten, bis entsprechend der gesetzlich festgelegten Rentenformel sinkende Löhne auch zu sinkenden Renten führen würden, sondern schon proaktiv Renten zu kürzen. Angesichts der inzwischen nach Billionen gezählten Hilfspakete war schnell der Ruf nach Steuererhöhungen zu hören. Bundeskanzlerin Angela Merkel wies das zurück – verbunden mit den vielsagenden Zusatzwörtern „Stand heute“.
Für Stimmen der Vernunft ist es schwer durchzukommen angesichts dieses Frontalangriffs auf die Taschen von Werktätigen, Arbeitslosen und Rentnern. Aber die Hinweise der linkssozialdemokratischen „Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik“ sind und bleiben ja richtig: Das Immobilienvermögen, das private Finanzvermögen und das Betriebsvermögen betragen in Deutschland knapp 20 Billionen Euro. Im Jahre 1952 gab es ein „Lastenausgleichsgesetz“, nach dem – über 30 Jahre gestreckt – eine einmalige Vermögensabgabe für den Wiederaufbau nach dem faschistischen Krieg erhoben wurde, die 50 Prozent des damaligen Vermögens erfasste. Mit dieser Orientierung sollte ein Konjunkturprogramm selbst in der Größenordnung von ein bis zwei Billionen niemanden schrecken – jedenfalls niemanden, der bereit ist, den Vermögenden und nicht den Armen in die Tasche zu greifen.