Das türkische Innenministerium hat im kurdisch dominierten Südosten des Landes drei von der Opposition gestellte Bürgermeister des Amtes enthoben. In Amed (Diyarbakir), Mêrdîn (Mardin) und Wan (Van) wurden die Bürgermeister Selçuk Mizrakli und Ahmet Türk sowie die Oberbürgermeisterin Bedia Özgökçe Ertan, die alle der Demokratischen Partei der Völker (HDP) angehören, abgesetzt. Sie waren bei den Kommunalwahlen am 31. März mit 63, 56 und 54 Prozent der Stimmen gewählten worden.
Am Montag waren die Rathäuser ab 6 Uhr morgens von der Polizei umstellt, die Türen aufgebrochen und die Räumlichkeiten durchsucht worden. Laut einer Stellungnahme des Innenministeriums hieß es, die rechtliche Grundlage für das Vorgehen ergebe sich aus Ermittlungen gegen die drei Politiker wegen Terrorvorwürfen. Sie sollen ihre Bürgermeisterposten dazu genutzt haben, die als „Terrororganisation“ eingestufte Kurdische Arbeiterpartei (PKK) zu unterstützen, außerdem hätten sie durch paritätisch von Männern und Frauen besetzte kommunale Gremien in ihren Stadtverwaltungen eine „vom Ganzen des Landes abweichende Struktur“ eingeführt und in der Verwaltung Personen eingestellt, deren Angehörige wegen PKK-Kontakten inhaftiert wurden.
Vor dem Rathaus von Diyarbakir ging die Polizei mit Wasserwerfern gegen protestierende HDP-Anhänger vor.
Präsident Erdogan sieht die HDP als verlängerten Arm der kurdischen Arbeiterpartei PKK, die in der Türkei und der EU als „Terrororganisation“ eingestuft ist. Im Oktober 2018 hatte er damit gedroht, nach den Kommunalwahlen im März 2019 gegebenenfalls wieder diejenigen Bürgermeister absetzen zu lassen, die „Verbindungen zu einer Terrororganisation“ hätten. Die staatliche Nachrichtenagentur „Anadolu“ berichtete, die Gouverneure der Provinzen sollten die Geschäfte weiterführen. Gouverneure werden nicht demokratisch gewählt, sondern vom Präsidenten ernannt.
Gleichzeitig sollen bei Razzien in den drei sowie in 26 weiteren Provinzen 418 Menschen wegen angeblicher Verbindungen zur PKK festgenommen worden seien, heißt es von Seiten des Ministeriums.
Der abgesetzte Ko-Bürgermeister von Amed, Selçuk Mizrakli, machte in einer ersten Stellungnahme deutlich, dass das Vorgehen der AKP nicht nur die Bevölkerung von Amed, Wan oder Mêrdîn betrifft „Kein Mensch, der in der Türkei lebt, kann sich unter dem Schirm der Rechtstaatlichkeit mehr sicher fühlen. Dieser Schritt gegen die HDP-Stadtverwaltungen muss als eine Haltung gegen die Werte der Demokratie und gegen die demokratische Opposition im ganzen Land betrachtet werden“, so Mizrakli.
Der Bürgermeister Istanbuls, Ekrem Imamoglu von der CHP, veröffentlichte beim Kurznachrichtendienst Twitter, es sei inakzeptabel, demokratisch gewählte Bürgermeister abzusetzen und so den Willen des Volkes zu ignorieren. Bei der von der AKP geforderten Wiederholung der Kommunalwahl in Istanbul hatte sich Imamoglu auch mit Hilfe von kurdischen Stimmen und der Unterstützung der HDP durchgesetzt.
Bereits während des von Erdogan verhängten Ausnahmezustands 2016 waren 90 von 103 Bürgermeistern in kurdischen Hochburgen ihres Amtes enthoben worden und durch vom Präsidenten eingesetzte Verwalter ersetzt worden. Bei der Kommunalwahl in diesem Jahr konnten jedoch viele der Städte zuckgewonnen werden.