Ein geplantes Gesetz aus dem Bundesjustizministerium unter Heiko Maas (SPD) zielt auf die Meinungsfreiheit. Unter dem Wortungetüm „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ (NetzDG) liegt ein Entwurf vor, der jetzt in die parlamentarische Beratung geht.
Was soll „durchgesetzt“ werden? Das physische Netz, also Breitbandkabel oder Glasfaserstränge in jedes Dorf, in jede Straße? Nein, das ist laut dem vorliegenden Entwurf nicht gemeint. Es geht um das, was inhaltlich über das Netz verbreitet wird. Allerdings nicht nur über das, was so wohlklingend falsch mit „soziale Netzwerke“ gemeint ist, sondern es geht um alles, was an Inhalten da ist.
Dieses so wenig steuer- und regelbare Tun im „World Wide Web“ ist den Herrschenden ein schmerzhafter Dorn im Auge. Was da alles verbreitet wird an kritischen, aufklärerischen und widerständigen Texten, Bildern und Videos, muss eingedämmt, eingezäunt werden. Gelernt haben die Herrschenden aus den Vorgängen z. B. im so genannten „arabischen Frühling“, wo das Netz ein wesentlicher Faktor der Mobilisierung und Orientierung war.
„Durchgesetzt“ werden soll staatliche Regulierung und Überwachung, denn den bürgerlichen Parteien ist das Netz viel zu unübersichtlich und leider nicht an nationale Grenzen gebunden. Die sonstigen Massenmedien hat man großenteils im Griff oder unter Kontrolle, die finanziellen, politischen und justiziablen Machtmittel sind ausgebaut und austariert.
Vorgeschoben wird als Begründung, dass gegen absichtliche Falschmeldungen, gegen Hassparolen und Hassreden vorgegangen werden muss. Was darunter zu verstehen sei, bleibt absichtlich vage, obwohl bereits jetzt ein ganzer Strafkatalog vorliegt, den Staatsanwaltschaften und Gerichte heranziehen können.Wer Parolen und Drohungen verbreitet, die gegen die Menschenwürde, das Diskriminierungsverbot nach Artikel 5 des Grundgesetzes, wer Personen oder ganze Gruppen mit Gewalt droht, kann schon immer belangt werden. Was nun tatsächlich eine Falschmeldung ist, was eine hasserfüllte Meinung via Twitter u. ä. ist, haben bisher Gerichte festgestellt und wie auch immer dazu Urteile gefällt.
Dieses neue Gesetz geht viel weiter. Nun will der Staat von jedem Anbieter im Netz verlangen, dass er in Eigenregie selbst prüfe und entscheide, ob Inhalte rechtswidrig sind. Er soll selbst entscheiden, ob er und was er löscht oder sperrt. Nur so kann er sich vor Strafen schützen, die dann drohen, wenn er der vom Staat gestellten Aufgabe nicht oder nur ungenügend nachkommt. Im Gesetzentwurf reichen die Strafen bis zu 50 Mio. Euro, wenn „offensichtlich strafbare Inhalte nicht oder zu spät gelöscht werden“. Die Netzanbieter sollen zu staatlich bestellten Zensoren werden.
Die Meinungsfreiheit wird durch ein solches Gesetz vor die Hunde gehen. Denn erlangt das NetzDG Gesetzeskraft, dann werden Organisationen, Aktivisten, aber auch Unternehmen im Zweifel lieber löschen oder sperren, um Strafen zu entgehen. Wer zu viele Bilder, Kommentare, Äußerungen löscht, auch wenn sie gar kein Problem sind, soll straffrei bleiben. Nur wer zu wenig löscht, soll bestraft werden. Dass mit dem NetzDG wirklich Hass und Gewalt im Internet eingeschränkt werden können, glaubt außer dem Bundesjustizminister vermutlich niemand.
Das geplante Gesetz stößt auf breite Kritik, unter anderem getragen vom Deutschen Journalisten-Verband (DJV), dem Chaos Computer-Club, der Amadeu Antonio Stiftung, aber auch von interessierten Wirtschaftsverbänden wie „Bitkom“, dem Bundesverband der Informations- und Telekombranche, oder dem „Verband der Internetwirtschaft“. In einer gemeinsamen Deklaration erkennen sie zwar einen Handlungsbedarf an, sind jedoch der Meinung, dass der Gesetzentwurf nicht dem Anspruch genüge, die Meinungsfreiheit adäquat zu wahren. Wie ein Gesetz aussehen müsste, das diesen Erwartungen genüge, lassen die Initiatoren offen.