Im Prozess gegen drei türkische Linke in Düsseldorf wird die Verteidigung behindert

Angeklagte hinter Glas

Kolumne

Am 14. Juni begann vor dem 7. Staatsschutzsenat am Oberlandesgericht Düsseldorf der Prozess gegen drei türkische Linke. Özgül Emre, Ihsan Cibelik und Serkan Küpeli werden beschuldigt, das sogenannte „Deutschland-Komitee“ der seit 1998 in der BRD verbotenen DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) gebildet zu haben. Deswegen sollen sie Mitglieder einer „ausländischen terroristischen Vereinigung“ nach Paragraf 129b des Strafgesetzbuches sein.

Das Gerichtsgebäude liegt außerhalb, ist extrem gesichert und verfügt sogar über einen Hubschrauberlandeplatz. Es ist extra für solche Inszenierungen gebaut worden. Dort haben bereits einige Verfahren gegen linke Exilbewegungen stattgefunden.

Es lohnt sich, so ein Spektakel mal zu besuchen. Nach dem Eintritt durch ein Drehkreuz folgt eine akribische Durchsuchung inklusive Kopie des Personal- oder Presseausweises. Die werden dann dem Senat vorgelegt. Am vergangenen Mittwoch dürften es um die 100 gewesen sein, die der Vorsitzende auf den Tisch bekam. Das restriktive Wachpersonal versuchte erfolglos, „Störungen“ wie Solidaritätsslogans, das Singen von Liedern oder mit den Fingern geformte Herzen und Victory-Zeichen zu unterbinden.

Solche Prozesse sind natürlich reine Machtdemonstrationen des Staates. So wurde den sechs Anwältinnen und Anwälten untersagt, vor der Verlesung der Anklageschrift durch den Oberstaatsanwalt Anträge zu stellen. Protestierenden Anwälten wurde kurzzeitig das Mikro abgedreht. Da war es dann kurz vorbei mit der süffisanten Höflichkeit des Richters. Die so verhinderten Anträge sollten sich gegen die Trennscheiben richten, hinter denen die Angeklagten mit jeweils zwei zusätzlichen Bewachern sitzen mussten. Das ist selbst an so einem trostlosen Ort der Klassenjustiz nicht üblich. Es behindert massiv die Verteidigung in einem Verfahren, in dem es um mehrere Jahre Haft geht. Ihsan Cibelik protestierte gegen diese Maßnahme, indem er sich umdrehte und sich die Ohren zuhielt.

Als die Anträge endlich gestellt werden konnten, wiesen sowohl die Verteidigung als auch Özgül Emre darauf hin, dass es beispielsweise beim Münchner NSU-Prozess keine Trennscheiben gab. Es sei eine gewollte Stigmatisierung und Vorverurteilung. Erwähnenswert ist, dass den Dreien keine individuellen Straftaten vorgeworfen werden. Um Sicherheit ging es dabei nicht. Irgendwann rückten Richter und Oberstaatsanwalt dann auch mit einer Erklärung heraus, warum die Angeklagten nicht bei ihrer Verteidigung sitzen durften. Es sollten keine „Kassiber“ oder Ähnliches ausgetauscht werden. Der Protest der Anwältinnen und Anwälte, dass sie damit ebenfalls verdächtigt würden, wurde erwartungsgemäß übergangen. Aber der Vorsitzende zeigte „Gesprächsbereitschaft“. Er wolle es sich überlegen und später entscheiden, wenn „man sich besser kenne“. Der Verweis des Richters darauf, dass dafür dann auch Slogans und Beifall der Prozessbeobachter eingestellt werden sollten, zeigte deutlich, dass es sich eher um ein Machtmittel als um eine Sicherheitsmaßnahme handelt.

Eine weitere Erschwerung der Verteidigung ist das „Selbstleseverfahren“, das vom Gericht angeordnet wurde. Rund 1.000 Seiten der Anklagedokumente sollen nicht im Gericht erörtert werden. Die Angeklagten sollen das in Haft selbst lesen oder sich übersetzen lassen und dann mit den Anwälten besprechen. Eine Möglichkeit für Notizen oder Speicherungen auf den JVA-Laptops gibt es aber nicht. Natürlich alles mit Trennscheibe, versteht sich. Als faulen „Kompromiss“ erlaubte der Richter dann, die 1.000 Seiten auszudrucken.

Zusätzlich gab es bisher keine Akteneinsicht bezüglich eines V-Mannes, der in die Ermittlungen gegen die Angeklagten involviert war. Der Generalbundesanwalt hatte diesen Vorgang laut Verteidigung nicht mitgeteilt, obwohl ihm dieser seit Jahren bekannt war und er dazu verpflichtet gewesen wäre. Dieser Prozess braucht Öffentlichkeit und Solidarität.

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"Angeklagte hinter Glas", UZ vom 23. Juni 2023



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