UZ: Ihr geht mit einer Forderung von fünf Prozent und einer sozialen Komponente in die Tarifrunde bei der Deutschen Telekom AG und den Telekom Servicegesellschaften. Wie ist der Stand der Verhandlungen? Es gab ja schon einige Aktionen und Unmutsbekundungen seitens der Beschäftigten, was den Stand der Verhandlungen betrifft.
Bernd Blümmel: Die Gegenseite hatte anfangs überhaupt kein Angebot vorgelegt. Bei der Bilanzpressekonferenz hatte sie noch zweistellige Wachstumszahlen in allen relevanten Bereichen präsentiert. Aber nun jammerten die Konzernvertreter in der zweiten Verhandlungsrunde, es würde für Tariferhöhungen nur einen begrenzten Spielraum geben. Ein Angebot legten sie erst mal nicht vor.
Nachdem vor der dritten Verhandlungsrunde mehr als 12000 Kolleginnen und Kollegen bei Warnstreiks ihren Ärger über die Haltung des Managements deutlich gemacht hatten, gab es dann tatsächlich ein Angebot: 1,5 Prozent für 2016 und 1,3 Prozent für 2017 bei einer Laufzeit von 24 Monaten. Für Februar 2016 sollte es nach den Vorstellungen der Kapital-Vertreter keine Erhöhung geben.
Das „Angebot“ muss angesichts von Forderung und Konzernergebnis ganz klar als Provokation gewertet werden. Vor allem auch, weil es kein gesondertes Angebot für die unteren Entgeltgruppen und für Azubis und Duale Studierende gibt. Diese Beschäftigten haben aber inzwischen große Probleme, die Mieten vor allem in den Ballungsräumen zu zahlen. Und genau dort konzentriert die Telekom schon seit Jahren ihre Niederlassungen.
UZ: Ihr fordert außerdem eine „Verlängerung des Ausschlusses betriebsbedingter Beendigungskündigungen“. Worum geht es dabei? Die Beschäftigten haben ja bereits einiges an Umstrukturierungen, Auslagerungen und auch Personalabbau mitmachen müssen. Welche Pläne gibt es, für die ihr euch wappnen müsst?
Bernd Blümmel: Diese Forderung entspringt der Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, die seit den Hartz-Gesetzen die Belegschaften und ihre Gewerkschaften erpressbar macht. Und sie entspringt der Illusion, ein Vertrag würde die Arbeitsplätze sicher machen. Tatsächlich baut die Telekom schon seit der Privatisierung in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts massiv Arbeitsplätze ab. Eine besonders perfide Variante ist die Zerschlagung von Standorten und die Verlagerung der Tätigkeiten in Ballungszentren oder gleich ins Ausland.
Bei der inländischen Verlagerung bekommen die Beschäftigten dann einen „gleichwertigen“ Arbeitsplatz angeboten – der kann sich allerdings am anderen Ende der Republik befinden. Viele können sich die zusätzlichen Fahrtzeiten und -kosten nicht leisten und geben auf. Das betrifft vor allem Teilzeitbeschäftigte – also in der Mehrheit Frauen.
Der vertragliche Ausschluss von Kündigungen löst das Problem nicht, kostet aber in den Verhandlungen immer Prozente. Im Management kursieren Zahlen, dass nach dem Ausbau des Glasfaser-Netzes 18000 bis 30000 Arbeitsplätze überflüssig seien. Diese Größenordnung lässt sich nicht mehr durch Altersteilzeit oder Zerschlagung von Standorten „managen“. Wir müssen in den nächsten Jahren von einem massiven Angriff auf unsere Arbeitsplätze und -bedingungen ausgehen. Um dafür gerüstet zu sein, müssen wir schon jetzt die Arbeitskampffähigkeit deutlich weiter entwickeln. Tarifvertragslaufzeiten von mehr als 12 Monaten sind da kontraproduktiv. Diese schwächen unsere Kampfkraft. Sich zu wehren lernt man nicht aus klugen Flugblättern und Broschüren, sondern nur in der Praxis.
Um die Angriffe abzuwehren ist es aber auch nötig, dass wir uns mit dem Thema beschäftigen, um das es in den anstehenden Auseinandersetzungen gehen muss: die Verkürzung der Wochenarbeitszeit bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Das muss zum ständigen Thema bei Betriebsversammlungen, Vertrauensleutetreffen und in den Betrieben werden.
UZ: Der IT-Bereich (T Systems) ist von den laufenden Tarifverhandlungen zeitlich abgekoppelt. Warum ist das so?
Bernd Blümmel: Schon in der letzten Tarifrunde 2014 wurden unterschiedlich lange Laufzeiten für die T Systems und den Rest der Telekom vereinbart. Es war also abzusehen, dass eine gemeinsame Auseinandersetzung nur schwer zu organisieren sein würde. Meines Erachtens hat diese Entwicklung zwei Ursachen.
Zum einen hat natürlich die Kapitalseite ein Interesse daran, die Belegschaften zu spalten und so zu schwächen. Zum anderen ist der IT Bereich alles andere als gut organisiert, und die Kolleginnen und Kollegen in den gut organisierten Bereichen ärgern sich, wenn sie streiken und die Streikbrecher in der IT von den Entgelterhöhungen profitieren und dann wegen des höheren Lohnniveaus am Ende mehr in der Tasche haben, als diejenigen, die gestreikt haben. Es gibt also die Tendenz, die schlecht organisierten Bereiche vom Rest abzukoppeln, damit diese endlich mal für ihre Interessen selber aktiv werden.
Ich halte das für unklug. Die Auseinandersetzungen, auf die wir in den nächsten Jahren zusteuern, lassen sich nur dann erfolgreich angehen, wenn wir in allen Bereichen arbeitskampffähig sind. Und Arbeitskampffähigkeit lässt sich am besten am praktischen Beispiel entwickeln, nicht über Appelle. Dass das funktioniert, zeigt die Entwicklung in Darmstadt, wo es einen der größten Telekom-Standorte gibt, der außerdem noch sehr IT lastig ist. Dort ist es in den beiden letzten Tarifrunden gelungen, die Zahl der Streikenden im IT Bereich zu vervierfachen.
Ich denke, wir müssen jeder Form der Spaltung entgegen wirken. Dazu ist es notwendig, gemeinsame Forderungen aufzustellen und diese im gemeinsamen Streik durchzusetzen.
UZ: Ihr habt dieses Mal neben der Forderung, die Ausbildungsvergütungen zu erhöhen, auch Duale Studierende mit berücksichtigt. Welche Rolle spielen Duale Studierende bei euch und unter welchen Bedingungen sind sie beschäftigt?
Bernd Blümmel: Das duale Studium gewinnt gegenüber der klassischen Ausbildung zunehmend an Gewicht. Allerdings bleibt der gewerkschaftliche Organisationsgrad bei den Studierenden deutlich hinter dem der Auszubildenden zurück. Das zeigt sich dann auch deutlich an den tarifvertraglichen Regelungen. In vielen Bereichen, wie dem Bildungsurlaub, bei Familienheimfahrten oder der Unterhaltsbeihilfe gibt es keine Regelungen, die über den gesetzlichen Mindestanspruch hinaus gehen. Die Dualen Studierenden sind also eine Beschäftigtengruppe, um die wir uns als Gewerkschaft dringend stärker kümmern müssen.