Über die vermeintliche Interessenidentität mit der herrschenden Klasse

Anforderungen an Strategie und Taktik

Von Patrik Köbele

Am vergangenen Wochenende diskutierten rund 70 Mitglieder der DKP aus fast allen Bezirken auf einer theoretischen Konferenz in Hannover mit großer Intensität über den Leitantrag an den 22. Parteitag der DKP. Wir dokumentieren Auszüge aus dem einleitenden Referat von Patrik Köbele, Vorsitzender der DKP, zum Leitantrag und der aktuellen Imperialismusanalyse der DKP

(…) Im Leitantrag kennzeichnen wir die jetzige Etappe des Imperialismus dadurch, dass er im Unterschied zur vorangegangenen Etappe durch den sozialreaktionären Weg aus der Krise der 70er Jahre gekennzeichnet ist, die man gemeinhin „neoliberal“ nennt. Wir definieren dies mit der Aussage, dass der Neoliberalismus eine in ihrem Kern offensive sozialreaktionäre Politik- und Herrschaftskonzeption ist, die aus dem Dreiklang Deregulierung, Privatisierung und Schwächung der Gewerkschaften besteht, die zu einer brutalen Umverteilung von Unten nach Oben führt. Die Durchsetzung dieser Variante konnte in Deutschland, gefördert auch durch die Konterrevolution in der DDR, im Wesentlichen ohne große Konfrontation und unter Einbindung von SPD und Grünen und damit der Gewerkschaften durchgeführt werden. Dies schwächte wiederum die Gewerkschaften, die an der Rente mit 67 und der Agenda 2010 quasi beteiligt, zumindest aber recht ruhiggestellt waren. (…)

Mit der Einbindung der Belegschaften und der Betriebsräte der Großbetriebe lässt sich relativ stark die Meinungsbildung der gesamten Gewerkschafts- und Arbeiterbewegung beeinflussen. Vor solch einer strukturellen Situation kann und konnte die Standortlogik, sowohl als Konkurrenz zwischen nationalen Standorten, vor allem aber auch zwischen Landesgesellschaften in verschiedenen Staaten gut entwickelt und gezüchtet werden. Dies ist meist sogar deckungsgleich mit den internen Konzernstrukturen der Konkurrenz.

Diese Situation ist heute aus meiner Sicht eine der wichtigsten Grundlagen für den Reformismus im Bewusstsein der Teile der Arbeiterklasse, der für die Meinungsbildung in den Gewerkschaften führend ist und bei dem gleichzeitig der traditionell vorhandene Internationalismus der Arbeiterbewegung weitgehend verschwunden ist.

Die Einbindung hat natürlich auch eine innere Auswirkung auf das Bewusstsein. Sie ist die Grundlage für die heutige Form der Ideologie der Sozialpartnerschaft. Auch da zeigt sich ein Unterschied des deutschen Imperialismus zum Beispiel im Verhältnis zum damaligen Großbritannien unter Thatcher. Sie setzte damals auf offene Konfrontation und Zerschlagung der klassenkämpferischen Teile der Gewerkschaftsbewegung, der deutsche Imperialismus auf Integration – damit fuhr er gut. Für entscheidende Teile der Arbeiterklasse stellt es sich doch so dar, dass sie mit einer vermeintlichen Interessenidentität mit der herrschenden Klasse ganz gut fahren. Natürlich fallen dabei die ausgegrenzten Teile der Klasse unter den Tisch. Das ganze Modell funktioniert auf Basis der Extraprofite, die dem deutschen Monopolkapital Spielräume geben und deren Quell die internationalen imperialistischen Ausbeutungsverhältnisse sind.

Ohne diese Analyse ist es unmöglich, eine adäquate Strategie und Taktik für die heutigen Kämpfe zu bestimmen. Mit dieser Analyse ist es aber immer noch schwer. Wir stehen vor der Aufgabe, und das versucht der dritte Teil des Leitantrags, zu bestimmen, was die richtigen Orientierungen, Forderungen und Losungen sind, um dieser Situation entgegenzusteuern.

Aus meiner Sicht ergeben sich aus der Imperialismusanalyse des Leitantrags vier zentrale Anforderungen an Strategie, Taktik, Forderungen und Losungen:

Wie kann der Standortlogik vor allem im internationalen Maßstab entgegengewirkt werden und damit langsam, aber sicher wieder Internationalismus in die Arbeiterbewegung getragen werden?

Wie kann erreicht werden, dass die Illusion der Sozialpartnerschaft angegriffen wird und die Arbeiterbewegung wieder stärker daran geht, die Interessen der Arbeiterklasse zum Ausgangspunkt zu machen?

Wie kann die Klasse in der Gesamtheit, also mit den ausgegrenzten und „prekär“ beschäftigten Teilen, zum gemeinsamen Formulieren eines gemeinsamen Klasseninteresses gebracht werden? Wie können dafür Strukturen entwickelt, angepasst oder verändert werden?

Wie können Forderungen und Kämpfe entwickelt werden, die ausgehend von den Interessen der Arbeiterklasse bereits heute Ausstrahlung auf andere Schichten entwickeln und damit antimonopolistische Bündnispolitik konkret machen?

Tatsächlich erleben wir heute Ansätze, die uns das ganz praktisch aufzeigen. Ich halte hier den Kampf um die Personalbemessung im Gesundheitswesen für ein wichtiges Beispiel und Lehrstück.

Es verdeutlicht die Tendenz des Kapitalismus, alles zur Ware zu machen.

Es zeigt auf, dass es keine Interessenidentität zwischen den Monopolen im Gesundheitswesen und den Beschäftigten gibt, und selbst die scheinbare Interessenidentität zwischen öffentlichen Krankenhäusern, staatlichen Stellen und den Beschäftigten wird permanent entlarvt, die Rolle des Staates als Instrument der herrschenden Klasse immer wieder deutlich.

Hier wird antimonopolistische Bündnispolitik nicht theoretisch entwickelt, sondern praktisch möglich, denn von der katastrophalen Personalsituation im Gesundheitswesen sind bis auf die Teile der Bourgeoisie und der integrierten Teile anderer Schichten, die sich ein gutes Gesundheitswesen erkaufen, alle betroffen.

(Auszüge aus dem Referat von Olaf Harms, Referent für Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, zum Leitantrag und den konkreten Handlungsorientierungen der DKP dokumentieren wir in der kommenden Ausgabe der UZ. Alle Referate werden auf news.dkp.de veröffentlicht)

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"Anforderungen an Strategie und Taktik", UZ vom 6. Oktober 2017



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