Über den Abgang von Ex-Verkehrsminister Scheuer

Andi Ehrenwert

Karl Marx hat im „Manifest“ einst die moderne Staatsgewalt als einen „Ausschuss“ bezeichnet, „der die gemeinschaftlichen Geschäfte der ganzen Kapitalistenklasse verwaltet“. Man muss ihm zugute halten, dass er das politische Personal, das sich heute auf den Leitungsposten dieses Ausschusses breitmacht, noch nicht gekannt hat. Immerhin trifft das Wort „Ausschuss“ auf die Damen und Herren in den Kabinetten durchaus zu, wenn auch in einem anderen Sinne, als ihn Marx gebraucht hatte.

Apropos Ausschuss, Andreas „Andi“ Scheuer will nicht mehr mitspielen. Der ehemalige Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur unter Kanzlerin Merkel, der vor allem aufgrund des Autobahnmaut-Desasters in die Geschichte eingehen dürfte, hat pünktlich zum 1. April mitgeteilt, sein Bundestagsmandat zurückzugeben – die Deutsche Presseagentur hielt es für nötig mitzuteilen, dass dies kein Aprilscherz gewesen sei. Über seine Gründe teilte Scheuer nichts mit, nur: „Es war mir eine Ehre, für unser Land und für meine Heimat arbeiten zu dürfen.“ Das zumindest dürfte in die Rubrik unfreiwilliger Aprilscherz gehören.

Seither blühen die Spekulationen: Wollte er einer drohenden Verurteilung im Zusammenhang mit der Maut zuvorkommen? Oder hängt sein Rückzug ins „Private“ mit der zuvor erfolgten Gründung von zwei Firmen durch Scheuer zusammen, über die „Zeit“ und „Spiegel“ berichten? Denn Scheuer hat es offenbar nötig, eine Holding für die Verwaltung seines Privatvermögens und seiner Firmenbeteiligungen zu gründen – da hat einer wohl gut in die eigene Tasche gewirtschaftet. Und damit die Gelder weiter wie geschmiert fließen, will er nun mit einem zweiten Unternehmen „der Wirtschaft“ seine Dienste anbieten.

Andreas Scheuer war und ist nicht das erste korrupte Regierungsmitglied, auch wenn sich manche von ihnen nicht mehr an bestimmte Gespräche erinnern können. Aber Scheuer, der sich auch gerne mit einem zweifelhaften Doktortitel schmückte, war schon einer von denen, die so dreist in die Kameras gelogen und sich dumm gestellt haben, dass es schon eine besondere Klasse hatte. Und damit dürfte wohl kaum Schluss sein. Der „Andi“, der als Minister auch für Digitales zuständig war, hat sich privat ganz standesgemäß eingeheiratet. Seit August 2021 ist er in dritter Ehe mit Julia Reuss verbandelt. Die war bis Ende Februar jenes Jahres Büroleiterin von Digitalisierungs-Staatsministerin Dorothee Bär und kassiert seither als Lobbyistin für Facebook ab. Eine ehrenwerte Familie.

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"Andi Ehrenwert", UZ vom 12. April 2024



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