Bildungsministerin Stark-Watzinger will Zivilklauseln abschaffen und die wissenschaftliche „Zeitenwende“ vorantreiben

An der Uni gegen China?

Chris Hüppmeier

Die Geschichte der Zivilklausel, also die von friedensbewegten Studierenden und Wissenschaftlern erkämpfte Selbstverpflichtung von Universitäten und Forschungseinrichtungen zu einer ausschließlich zivilen und dem Frieden verpflichtenden Ausrichtung, ist jeher geprägt von militaristischen Angriffen. Nichtsdestotrotz wurden seit Ende der 1980er Jahre an rund 70 Forschungs- und Bildungseinrichtungen in Deutschland Zivilklauseln erkämpft. Im Zuge der ausgerufenen „Zeitenwende“ der Bundesregierung und mindestens 100 Milliarden „Sondervermögen“ in petto wird die zivile Forschungslandschaft nun erneut in Frage gestellt.

Neben den wissenschaftspolitischen Think Tanks wie der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) oder der Expertenkommission Forschung und Innovation haben sich zuletzt auch vermehrt Stimmen aus dem Bundestag in die Angriffe auf die Zivilklauseln eingereiht. Der ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende von BlackRock Deutschland und heutige CDU-Chef Friedrich Merz zum Beispiel füllte das Sommerloch der Leitmedien mit der Einschätzung, dass Zivilklauseln „nicht mehr zeitgemäß“ seien. Ins gleiche Horn, jedoch mit anderer Qualität, bläst die Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) in einem Gastbeitrag in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ). Die „systemische Rivalität“ zu China habe „Konsequenzen für Wissenschaft und Forschung“, die mit einem „kritischen Blick“ geschärft werden müssten. Ganz grundsätzlich gehe es um die Sicherheit der deutschen Forschung vor Angriffen aus Russland oder China. Der zu ziehende Zahn liegt dabei im noch nicht vorhandenen sicherheitspolitischen Einklang der Wissenschaften zum Auftrag des deutschen Zeitenwende-Imperialismus.

So alt wie der Kampf gegen die Zivilklausel, so alt ist auch das Argument, dass in der Forschung ganz grundsätzlich eine militärische Nutzung nicht auszuschließen sei. Das Argument des „Dual Use“ schallt bis heute durch die Gremien der universitären Selbstverwaltungen. Die Zivilklausel stelle deshalb einen verfassungsrechtlichen Eingriff in die grundrechtlich verbriefte Freiheit der Forschung dar, verhindere sie doch potentiell auch zivile Forschungsvorhaben. Die mehr als zwei Jahrzehnte neoliberale Ökonomisierung der Universitäten und die Drittmittel-Abhängigkeit wurde in diesem Zuge weniger mit einem „kritischen Blick“ angeschaut. Was jahrzehntelang nicht möglich war, soll möglich werden, wenn es der eigenen Sache dient. Als Vorbild hierfür dienen Stark-Watzinger die militärisch-universitären Komplexe in Israel und den USA, die „sehr erfolgreich in einem zivilen und militärisch geprägtem Ökosystem Forschung in technologische Innovation“ umsetzen würden.

Die militaristische „Zeitenwende“ rollt damit voll auf die Universitäten zu. Die Einbindung der Wissenschaften in den nationalen Auftrag einer Regierung, die Friedenssicherung mit Waffenlieferungen propagiert, die internationale Wissenschaftskooperationen im Handumdrehen beendet und die Freiheit der Wissenschaften durch eine „Freiheit zur Verantwortung“ ersetzen will, in der „Wissenschaftler ihrer Verantwortung im Interesse unseres Landes gerecht werden“ sollen, widerspricht dem Wesen der Zivilklausel tatsächlich fundamental. Und gerade deshalb nimmt auch die Zivilklausel-Bewegung neu Fahrt auf.

Statt Milliarden für Rüstung und Rüstungsforschung, von denen nur die großen Rüstungsmonopole profitieren, streiten immer mehr Studierende und Wissenschaftler für ein grundsätzliches Umdenken und fordern die Etablierung weiterer sowie die konsequente Durchsetzung der bestehenden Zivilklauseln. Darüber hinaus müssen die Bedingungen für eine Wissenschaft und Bildung geschaffen werden, die das Forschen, Lehren und Lernen für eine friedliche, gerechte und demokratische Entwicklung erst ermöglichen. Ende Oktober trifft sich ein breites Bündnis aus Jugendverbänden, Gewerkschaften und der Friedensbewegung zu einem bundesweiten Zivilklausel-Kongress in Kassel und lädt alle Interessierten herzlich ein.

Weitere Informationen gibt es unter zivilklausel-kongress.dfg-vk.de.

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"An der Uni gegen China?", UZ vom 25. August 2023



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