Der zeitliche Ablauf sorgte für Klarheit. Am Samstag demonstrierten Hunderttausende in deutschen Städten gegen die Investitionsschutzabkommen TTIP und CETA. Am Montag darauf gab ein Konvent der SPD – immerhin das höchste Gremium zwischen Parteitagen – deren Vorsitzendem Sigmar Gabriel ein klares Ja für die Zustimmung zu CETA. CETA ist das Investitionsschutzabkommen der EU mit Kanada. Es war einer der letzten Tricks des Wirtschaftsministers, dem anschwellenden Protest so weit entgegenzukommen, dass er das Abkommen der EU mit den USA (TTIP), das noch nicht fertig verhandelt ist, für tot und begraben erklärt hat, um das fertig verhandelte CETA zu retten und wenigstens dafür die Zustimmung seiner Partei zu erreichen. Das allerdings scheint gelungen.
Aber zu welchem Preis? Die SPD ist wieder einmal für alle, die hören und sehen können, gegen eine breite Bewegung auf- und fest an die Seite des Finanzkapitals getreten. Sie hat sich öffentlich als deren Agentin dargestellt. Albrecht Müller, SPD-Mitglied und Mitbetreiber der „Nachdenkseiten“, schreibt, die SPD habe die „gesellschaftspolitische Gestaltungsmacht den internationalen Großkonzernen übereignet“. Wir wissen und Müller weiß, dass das nicht das erste Mal der Fall war. Die zweite SPD-geführte Schröder-Regierung hat das seit 2002 mit der Agenda 2010 geradezu zu ihrem Hauptmerkmal gemacht. Zum Preis dieser Politik gehört auch, dass die SPD sich sichtbar gegen die Gewerkschaften stellt. Die mit großen Mühen in jüngster Zeit geflickte Einheit von SPD- und Gewerkschaftsführung wird für alle sichtbar in Frage gestellt. Dabei hatte der DGB nicht etwa ein klares Nein zu den Abkommen formuliert, sondern nur gefordert, sie müssten „nachverhandelt werden.“
Politisch hat Gabriel mit seiner Haltung also nur verloren. Selbst die meinungsbildenden Großmedien loben ihn nicht, sondern tadeln ihn, weil er laviert, anstatt stramm die Forderungen des Finanzkapitals zu exekutieren. Man kann daraus nur den Schluss ziehen, dass die SPD und ihr Parteichef unter erheblichem Druck standen, wenigstens CETA durchzuziehen, das Ende Oktober unterzeichnet werden soll. Der freie Kapitalverkehr, der in der EU durchgesetzt und als Grundsatz mit vertraglichen Weihen versehen ist, der auch in der nordamerikanischen Freihandelszone NAFTA gilt, soll unbedingt zum Vorteil der großen Kapitaleigner transatlantisch vertraglich und unumstößlich verankert werden. Da lohnt es sich, größtmöglichen Druck auf die Partei auszuüben, die im größten EU-Land immer noch ansatzweise als Verbündeter und Interessenvertreter des kleinen Mannes gilt.
Im Kampf gegen TTIP und CETA hat sich ein breites Bündnis gegen die Zumutungen des Monopolkapitals herausgebildet, ganz wie es die Programmatik der DKP seit Jahrzehnten formuliert. Dieses Bündnis ist keineswegs schon antikapitalistisch, wie gelegentlich auf beiden Seiten der Frontlinie behauptet wird. Noch ist der Kampf nicht gewonnen oder verloren. Er kann auch gegen die SPD an Breite gewinnen.