Marburger Linke verlassen die Linkspartei

An den Rand gedrängt

Während sich der Parteivorstand der Linkspartei beinahe wöchentlich für die vermeintlichen Erfolge seiner Erneuerungskampagne rühmt, setzt sich die Austrittswelle an der unzufriedenen Basis fort. Es sind vor allem die Linken in der „Linken“, die der Partei den Rücken kehren. Dabei gehen längst nicht alle von ihnen zum „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW). Parteiführung und bürgerliche Medien arbeiten bis heute daran, die politischen Konflikte innerhalb der Linkspartei auf eine Auseinandersetzung zwischen Wagenknecht-Lager und Vorstandsmehrheit zu reduzieren. Inhaltliche Differenzen wurden durch persönliche Angriffe und Spaltungsversuche überdeckt, die „Erneuerung“ als Gegenmodell verkauft. Doch es ist gerade der auf diese Weise vorangetriebene Umbau der Partei, der vielen Mitgliedern die politische Heimat raubt.

In der vergangenen Woche traten neun zum Großteil langjährige Genossinnen und Genossen aus dem Kreisverband Marburg-Biedenkopf aus der „Linken“ aus. In einem offenen Brief mit dem Titel „Warum wir die Partei ‚Die Linke‘ verlassen“, der bei vielen (Noch-)Parteimitgliedern auf Widerhall treffen dürfte, erklärten sie den Schritt. Wesentliche Inhalte linker Politik seien zunehmend vernachlässigt und teils aktiv an den Rand gedrängt worden. Sie kritisieren „eine halbherzige Friedenspolitik, anhaltende Unterwanderung durch NATO-ergebene Kreise, verbreitete Abkehr von basisdemokratischen und anderen zentralen Grundsätzen der Partei, Ausgrenzung und Diffamierung Andersdenkender, Ignoranz gegenüber Verteidigern der Freiheitsrechte, ein getrübtes Verhältnis zur Rechtsstaatlichkeit, Vernachlässigung ländlicher Regionen.“ Hinzu komme der „augenscheinliche Missbrauch von Parolen wie dem ‚Kampf gegen Rechts‘ als Waffe gegen jede Art ungewollter Opposition“.

Wer Proteste gegen Corona-Maßnahmen, Massendemonstrationen für Frieden und Abrüstung oder die Proteste gegen eine zum Höfesterben führende Landwirtschaftspolitik „im Namen des Antifaschismus bekämpft, fördert indirekt das Aufkommen eines neuen Faschismus“, erklärte etwa Martin Gronau, der die „Linke“ bisher im Ortsbeirat Marburg-Weidenhausen vertrat.

Die Unterzeichnenden beklagen zudem eine bloß zögerliche Unterstützung der Friedensbewegung. Der Marburger Stadtverordneten und Linkspartei-Gründungsmitglied Inge Sturm fehlt „ein entschlossenes Handeln gegen die Remilitarisierungspolitik der Bundesregierung“. Das sieht auch Uwe Krüger so: „Der gegenwärtige Parteivorstand verliert sich in den Weiten der Äquidistanz zu Russland und den USA, akzeptiert Sanktionen“, während bekannte Mitglieder wie der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow „Waffenlieferungen für die ukrainische Konfliktpartei“ forderten.

Auch in der sozialen Frage sehen sie die „Linke“ auf einem falschen Kurs. Es sei ein unangemessener „Vorrang für machtpolitisches Kalkül und woke Vorstellungen einer kleinen Blase urbaner Besserverdiener“ zu bemerken. Zugleich würde die innerparteiliche Demokratie beschnitten und der Kampf um demokratische Rechte vernachlässigt. Für die politische Arbeit vor Ort, im ländlichen Raum und mit den Betroffenen fehle es hingegen an Willen und Kompetenz. „Die wenigsten kennen sich im Landkreis aus, kennen die dortigen Lebensverhältnisse“, so Marina Stengel-John aus Breidenbach. Nichtdestoweniger betonen alle Unterzeichner ihre Verbundenheit mit jenen, die innerhalb der PdL für die Ziele des Erfurter Programms stehen, und ihre Bereitschaft zu weiterhin gemeinsamem Handeln.

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"An den Rand gedrängt", UZ vom 2. Februar 2024



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