Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hadert mit dem Aussetzen der Wehrpflicht. „Früher gab es spätestens dann einen Berührungspunkt, wenn man selbst oder jemand in der Familie sich entscheiden musste, ob er zur Bundeswehr geht oder Zivildienst macht. Das gibt es so nicht mehr“, sagte sie am Montag der „Süddeutschen Zeitung“. In früheren Aussagen sagte Kramp-Karrenbauer, dass sie nichts davon halte, die Wehrpflicht wiedereinzuführen. Sie will aber die Truppe wieder stärker ins Bewusstsein der Gesellschaft rücken. Auf ihren Wunsch hin fand am Dienstag das erste Mal seit 2013 wieder ein öffentliches Gelöbnis mit 400 Rekrutinnen und Rekruten der Bundeswehr vor dem Reichstag in Berlin statt. Am 18. November folgt ein öffentliches Gelöbnis in München. Bei ihrer Antrittsrede Ende Juli hoffte Kramp-Karrenbauer noch auf ein Gelöbnis in jedem Bundesland, jedoch folgten die anderen Landesregierungen diesen Träumereien nicht.
Die Verteidigungsministerin möchte aber nicht nur die Bundeswehr im Alltag der Zivilgesellschaft verankern, sondern die Soldatinnen und Soldaten sollen auch neue Einsätze in Krisenregionen übernehmen. Am Mittwoch vergangener Woche sprach Kramp-Karrenbauer mit der „Süddeutschen Zeitung“ und versicherte, sie wisse, „wie schwer das ist, wie viele Opfer das verlangt“. Auf den Einwand, dass deutsche Soldaten dann häufiger in Zinksärgen aus dem Einsatz zurückkämen, sagte die Verteidigungsministerin, jeder Einsatz sei gefährlich. Sie wisse nicht, wie sich Eltern fühlen, wenn ihre Kinder tot zurück kämen, kontert Patrik Köbele, Vorsitzender der DKP, in einer Videobotschaft. Kramp-Karrenbauer behaupte weiter, „es gehe um Afrika und man müsse den Export von Terrorismus verhindern. Was man aber exportiert hat, ist der Krieg. Man kann nur sagen, wer Krieg und Armut exportiert, wie es auch Deutschland, die NATO und die EU machen, der wird Terror ernten.“
Einen Tag später sagte Kramp-Karrenbauer, sie höre aus allen Richtungen, dass Deutschland eine Rolle als „Gestaltungsmacht“ annehmen müsse. Das Land müsse eine deutlich aktivere militärische Rolle spielen, verbunden mit der Schaffung eines Nationalen Sicherheitsrates. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bezeichnete die Idee eines Nationalen Sicherheitsrates als wichtig, allerdings innerhalb der CDU auch als nicht neu. Bisher habe man einen Nationalen Sicherheitsrat nicht in Koalitionsverträgen verankern können, so Merkel am Rande eines Treffens mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Rückenwind erhielt Kramp-Karrenbauer jedoch vom Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestags, Hans-Peter Bartels (SPD). Er sagte gegenüber der „Passauer Neuen Presse“, er begrüße, dass die Ministerin die „globale Verantwortung“ Deutschlands thematisiere, jedoch fehle der Armee für größere militärische Aufgaben Gerät und Personal. Diesbezüglich meldete die „Deutsche Presseagentur“ Ende Oktober unter Berufung auf NATO-Kreise in Brüssel, dass die Bundesregierung den „Verteidigungshaushalt“ für 2020 auf über 50 Milliarden Euro erhöhen will (siehe UZ vom 25. Oktober). Zudem beschloss der Bundestag am 30. Oktober, die Pflicht zur EU-weiten Ausschreibung öffentlicher Rüstungsaufträge einzuschränken. „Immer wenn Sicherheitsinteressen Deutschlands betroffen sind, soll künftig ein beschleunigtes Vergabeverfahren für die Ausrüstung der Bundeswehr und von Polizeibehörden möglich sein“, meldete das „Handelsblatt“.
Eine der Stimmen, die Kramp-Karrenbauer gehört haben will, als es um die „Gestaltungsmacht“ Deutschland ging, war wohl die ihrer Amtsvorgängerin und künftigen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU). Das vom deutschen Imperialismus dominierte „Europa muss auch die Sprache der Macht lernen. Das heißt zum einen, eigene Muskeln aufbauen, wo wir uns lange auf andere stützen konnten. Zum anderen die vorhandene Kraft gezielter einsetzen, wo es um europäische Interessen geht“, sagte diese am Montag in einer Rede vor der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin. Die EU müsse sich besser gegen führende Staaten wie China und die USA in Stellung bringen. „Soft Power“ reiche heute nicht mehr aus, wenn sich die Europäer in der Welt behaupten wollten, so von der Leyen weiter.