Elektroautos sind der Renner. Zumindest in der Diskussion über die Zukunft der Branche. „Wir tauschen bis 2030 weltweit 500 Millionen Verbrenner gegen 500 Millionen Elektroautos und alles ist paletti!“ So etwa lauten die Behauptungen von Automobilindustrie, Regierung und vieler Medien. Die Fakten sehen allerdings anders aus.
Schauen wir uns zum Beispiel die Umweltbilanz der Elektroautos an: Die Emissionen entstehen zwar nicht beim Fahren, aber die Energie muss vorher in die Batterien geladen werden. Dazu braucht man Strom aus dem Netz, dessen Erzeugung alles andere als emissionsfrei ist. Viel Strom braucht auch die Produktion der Batteriezellen. Bei einem Anteil von 50 Prozent fossiler Energieträger am Strommix (wie in Deutschland) emittiert ein Elektro-Pkw mit einer 100-kWh-Batterie schon 15 bis 20 Tonnen CO2, bevor er zum ersten Mal gestartet wird. Werden die Batteriezellen in Korea, China oder demnächst im „Kohleland“ Polen gefertigt, sind es noch deutlich mehr.
Unter diesen Bedingungen verursachen Elektro-Pkw über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg nicht wesentlich geringere CO2-Emissionen als normale Benzin- oder Diesel-Pkw. In diesem Punkt hatte VW-Chef Diess recht, als er noch im Oktober letzten Jahres im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ sagte: „Sie stellen nicht auf Elektro um, sondern auf Kohlebetrieb. Das liegt am Strommix.“ Wie Diess nach diesem Interview so schnell zum glühenden Verfechter der E-Autos wurde, ist schon erstaunlich.
Die Energie ist aber nicht das einzige Problem der E-Auto-Batterien. Hinzu kommt der Bedarf vieler seltener Rohstoffe: Lithium, Kobalt, Nickel … Diese Rohstoffe werden oft mit erheblichen negativen Umweltauswirkungen und unter skandalösen Arbeitsbedingungen gefördert. Nehmen wir zum Beispiel Kobalt: Das Metall kommt vor allem aus dem Kongo. Bei seiner Förderung wird laut „Amnesty International“ sogar massiv Kinderarbeit eingesetzt.
Dies betrifft nicht nur den „unkontrollierten Kleinbergbau“, wie die beteiligten Tech-Konzerne Apple, Samsung, Sony und auch BMW, Daimler und Volkswagen gerne behaupten. Auch in den Minen des weltgrößten Kobalt-Förderers Glencore stellte die internationale Gewerkschaftsvereinigung „IndustriALL Global Union“ systematische Verstöße gegen Menschen- und Arbeiterrechte fest: „Die Behandlung der Arbeiter und die Beschäftigungsbedingungen sind nichts anderes als Sklaverei.“
Ein weiterer Knackpunkt neben dem hohen Anschaffungspreis der Elektroautos ist die unzureichende Infrastruktur an Ladesäulen. Die Bundesregierung will hunderte Millionen locker machen, damit an allen bewirtschafteten Rastplätzen mindestens zwei Schnellladepunkte entstehen. Das ist zunächst ein technisches Problem. Denn um die Autos in wenigen Minuten zu laden, muss der Bedarf für 100 Einfamilienhäuser in kurzer Zeit aus dem Kabel kommen. Die Stecker werden dabei so warm, dass Kühlsysteme eingebaut werden müssen. Und es ist ein finanzielles Problem, denn 100 000 bis 150 000 Euro kostet laut ABB oder Siemens jede dieser Hochleistungs-Zapfsäulen.
Damit soll keinesfalls einem „Weiter-so“ das Wort geredet werden. Die Treibhausgasemissionen des Verkehrssektors liegen noch immer auf dem Niveau des Jahres 1990 und stiegen in den letzten beiden Jahren sogar wieder an. Für eine wirkliche Veränderung muss mehr passieren als nur der Wechsel des Antriebssystems – also weg vom Verbrenner, hin zum Elektro-PKW. Eine Verkehrs- und Mobilitätswende mit weniger Verkehr ist nötig. Dabei geht es nicht ausschließlich um den Autoverkehr. Die Förderung einer ökologischen Mobilität darf sich nicht allein an dem von der Autolobby erzeugten Elektroauto-Hype, inzwischen ergänzt um Digitalisierung und autonomes Fahren, orientieren. Nötig ist ein gesamtgesellschaftlicher Rahmenplan für eine ökologische, soziale und sichere Mobilität.
Dafür braucht es den Ausbau des öffentlichen Verkehrs und die „smarte“ Vernetzung bestehender Verkehrsträger mit dem Individualverkehr. Darin haben dann auch Elektro-Autos ihren Platz – aber kleine, leichte und kostengünstige Modelle. Die für große Limousinen und SUV notwendigen großen Batterien machen die oben aufgeführten Probleme noch schlimmer.
Die Förderung des „Umbaus“ der Automobilindustrie darf nicht auf Kosten der Beschäftigten geschehen. Der in der letzten Tarifrunde begonnene Einstieg in die Arbeitszeitverkürzung sollte dafür auf alle Beschäftigten erweitert und um den notwendigen Lohnausgleich ergänzt werden. Dafür wäre aber sehr viel mehr Einmischung und Druck von unten nötig.