Die Parteien, die heute die Bundesregierung stellen – SPD, Grüne und FDP – hatten in Bayern und Hessen bei den vorletzten Landtagswahlen 5,8 Millionen Stimmen auf sich vereinigen können. Bei den Landtagswahlen am 8. Oktober dieses Jahres waren es gut 1,2 Millionen Stimmen weniger. Die übrig gebliebenen 4,5 Millionen entsprechen rund einem Drittel der Bürgerinnen und Bürger, die an diesem Tag an die Wahlurne gegangen sind und bezogen auf die Wahlberechtigten weniger als einem Drittel der Menschen zwischen Kassel und dem Alpenrand. Die sogenannte Ampelregierung hat in zwei der alten Kernländer der alten Bundesrepublik keine Mehrheit mehr hinter sich. Über zwei Drittel der Menschen stehen ihr ablehnend oder gleichgültig gegenüber.
In der einstigen Hochburg Hessen wurde die früher sich dort „sozialistisch“ gebende SPD mit ihrer Spitzenkandidatin Nancy Faeser bei einem Verlust von fast fünf Prozentpunkten und einem entsprechenden Zugewinn der AfD auf den dritten Platz verwiesen. In Bayern konnte sie aufatmen: Mit 8,6 Prozent der Stimmen nahm sie die Fünf-Prozent-Hürde glatt. Die „Grünen“ haben nach der krachend gescheiterten Kanzlerkandidatin nun einen ähnlich krachend gescheiterten Ministerpräsidentenkandidaten, der von den knapp 20 Prozentpunkten, die er noch 2018 errungen hatte, ein Viertel verloren hat. Die FDP hat es mit Müh und Not geschafft, mit acht Abgeordneten wieder in den Landtag in Wiesbaden einzuziehen.
Zu den Verlierern gehört die Partei „Die Linke“, die sich sowohl in absoluten Zahlen als auch in Prozentzahlen jeweils halbiert hat – in Bayern nur noch 1,5 statt vorher 3,2 Prozent der Stimmen und in Hessen nun alte bayerische Verhältnisse mit 3,1 statt 6,3 Prozent. Sie ist damit in keinem westdeutschen Flächenstaat mehr im Parlament vertreten.
Gewonnen haben alle diejenigen, die mit zunehmender Verve die Ampelkoalition von rechts angegriffen haben. Das betrifft zum einen die christlichen Parteien, die durch ihre Opposition im Bund ihre Regierungspositionen in Wiesbaden und München festigen konnten. Das betrifft zum anderen die „Alternative für Deutschland“, die diesen 8. Oktober nicht zu Unrecht als Durchbruch feiert. Sie wird in beiden Landesparlamenten künftig stärkste Oppositionskraft werden.z
Der anfängliche Schwung der „Ampel“, der schon am Start vor allem in erfolgreicher Autosuggestion bestand, ist spätestens mit diesen Wahlen gebrochen. Keine der drei Parteifarben leuchtet. Sie dimmen hinweg. Die Zeit der Ampeldämmerung hat begonnen. Vor der Regierung liegen zähe Monate des Streits, auf welchen Feldern außer der verbissenen Kriegsführung gegen Russland sie nun auch innenpolitisch die Weichen noch weiter nach rechts stellen sollte. Vor ihr liegen die vermutlich ähnlich desaströsen Wahlen zum Europaparlament und das sich abzeichnende noch größere Desaster bei den für 2024 angesetzten Wahlen in Ostdeutschland. Die Wetten, ob diese Koalition bis dahin Bestand haben wird, laufen.
Nicht nur Dämmerung, sondern „Licht aus“ bedeuten die Wahlen für die im Westen endgültig gescheiterte Partei „Die Linke“. Sie werden deren Spaltungsprozess und damit die Entstehung einer wie auch immer gestalteten „Wagenknecht-Partei“ beschleunigen.
Einen zarten Hoffnungsschimmer auch angesichts der dortigen Entwicklung bedeuten die 2.235 Stimmen für die Kommunistische Partei in Hessen. Immerhin hat damit jedes Mitglied dieser kleinen Partei fast zehn Menschen, die ihr nicht angehören, zur Stimmabgabe für die DKP bewegen können. Das ist kein Sieg, aber ein Mutmacher in ansonsten düsteren Zeiten.