Der Bundestag hat Mitte November mit den Stimmen aller Fraktionen die Einsetzung eines neuerlichen Untersuchungsausschusses beschlossen, der Licht in die Mordserie des neofaschistischen Terrornetzwerks „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) bringen soll. Der Ausschuss trägt den Namen „Terrorgruppe NSU II“ und soll das Ziel verfolgen, „die noch offenen Fragen im Zusammenhang mit der Terrorgruppe“ und „den ihr zur Last gelegten Straftaten sowie zu ihrem Umfeld aufzuklären“, wie es in der Beschlussempfehlung des
soll sich mit dem Terror des
Nationalsozialistischen Untergrundes beschäftigen.
Geschäftsordnungsausschusses des Bundestags heißt. Ziel sei unter anderem, „seither bekanntgewordene Fakten, die der frühere Ausschuss nicht behandeln konnte“ zu verarbeiten. Damit dürfte auf die Mitglieder des Ausschusses einiges an Arbeit zukommen, müssen sie sich doch durch Berge von Aktenmaterial kämpfen. Auf die Unterstützung der Polizeibehörden und Inlandsgeheimdienste dürften sie dabei keineswegs bauen können. Litt doch die Mehrheit der in den NSU-Terror verstrickten Ämter bei vergangenen Befragungen unter einer höchst auffälligen Amnesie. Die bisherige Arbeit der bestehenden und vergangenen Untersuchungsausschüsse verkam hingegen zur Farce. Petra Pau, Bundestagsabgeordnete der Linksfraktion, konstatierte in ihrem Redebeitrag zur erneuten Einsetzung eines NSU-Untersuchungsausschusses, dass es bezüglich der mindestens zehn NSU-Morde „keinen einzigen“ gäbe, „bei dem ich sagen könnte: Ja, so, wie beschrieben, muss es gewesen sein“. Dies treffe auch „auf das tödliche NSU-Finale für Böhnhardt und Mundlos am 4. November 2011 in Eisenach zu“. Und über allem schwebe die Frage: „War das Nazi-Trio wirklich unerkannt durch die Lande gezogen und wenn nein, wer wusste wann was?“, so Pau weiter. Sie will daher auch die Fragen geklärt wissen, was der Bundesnachrichtendienst von Spuren des NSU wusste, die nach Skandinavien, in die USA und nach Südafrika weisen? Und, welche Rolle die „Geheimdienste, allen voran die Ämter für Verfassungsschutz“ gespielt hätten? Schließlich agierten im Umfeld des neofaschistischen Terrornetzwerks mehr als 40 sogenannte V-Leute.
Licht ins Dunkel könnte bestenfalls die für noch vor Weihnachten erwartete Aussage von Beate Zschäpe bringen, die im vergangenen Monat angekündigt hatte, nun doch sprechen zu wollen. Egal, was jedoch im Rahmen des Münchner Prozessverlaufs oder aufgrund der Arbeit der jeweiligen Untersuchungsausschüsse des Bundes und der Länder noch an Details veröffentlicht werden wird, klar ist, dass sich auch fast fünf Jahre nach dem mörderischen Terror am Umgang der etablierten Politik, der Polizeien und Geheimdienste nicht das Geringste geändert hat. Mittlerweile erscheint die Stimmung im Land gegenüber rassistischer Anschläge und neofaschistischer Terroraktionen hingegen noch positiver zu sein denn zum Zeitpunkt der NSU-Enthüllungen. Kontinuierlich bereiten Massenaufmärsche von mehreren Tausend Rassisten den Nährboden für mörderische Anschläge und Attacken, die allein in diesem Jahr um ein Vielfaches anstiegen (UZ berichtete). Mitunter schließen selbst etablierte Politiker nicht mehr aus, dass sich schon jetzt neue rechte Terrorzellen in Gründung befinden, bzw. sich gar schon zusammengeschlossen haben. Ernstzunehmende Konsequenzen für diejenigen, die Hunderttausende D-Mark und Euros an V-Leute-Honoraren faktisch in die Naziszene geleitet und damit Aufbauhilfe für Mord- und Totschlag geleistet haben, blieben bisher aus.
Bevor sich die politisch Verantwortlichen für das NSU-Desaster, allen voran die V-Mann-Führer und Geheimdienstchefs, sowie die damals Verantwortlichen aus BND, BKA und Landeskriminalämtern nicht auf der Anklagebank im Münchner NSU-Prozess wiederfinden, sondern wie der frühere V-Mann-Führer im NSU-Umfeld, Gordian Meyer-Plath, noch zum Chef des sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutzes aufsteigen, wird es für Migrantinnen und Migranten und auch Antifaschisten keine hundertprozentige Sicherheit in diesem Land geben. Die Politik nimmt dies mindestens billigend in Kauf.