Die USA wollen Kuba, Nicaragua und Venezuela vom 19. Amerika-Gipfel im Juni in Los Angeles ausschließen. Nach Meinung des Stellvertretenden US-Ministers für Angelegenheiten der westlichen Hemisphäre, Brian Nichols, würden sie die Demokratie missachten. Bis hierhin wäre eigentlich alles bedauerlich normal. Denn die Amerika-Gipfel sind an die Organisation der Staaten Amerikas (OEA) angebunden. Kuba, Nicaragua und Venezuela sind die drei größten Länder des alternativen Staatenbunds ALBA und bezeichnen die OEA als „Kolonialministerium der USA“ wegen ihrer aggressiven Politik gegen linke und progressive Regierungen und Unabhängigkeitsbewegungen.
Kuba wurde 1962 aus der OEA ausgeschlossen, Venezuela und Nicaragua haben ihren Austritt erklärt, aber noch gilt eine Auslauffrist von zwei Jahren. Trotzdem hat Nicaragua im April 2022 die OEA-Vertretung in Managua des Landes verwiesen. Außenminister Denis Moncada betonte „unsere unwiderrufliche Kündigung angesichts der unheilvollen, brutalen und verlogenen Abhängigkeit der OEA vom Außenministerium des Yankee-Imperialismus. Wir hören auf, Teil all der betrügerischen Mechanismen dieser Monstrosität zu sein, mögen sie Ständiger Rat, Ausschüsse, Treffen oder Gipfel der Amerikas heißen.“ Deshalb würde eine Nichteinladung Nicaraguas zum Gipfeltreffen in Los Angeles keine wirkliche Trauer in Managua auslösen. Jedoch wollen etliche Staaten Lateinamerikas die politische Ausgrenzungspolitik der USA nicht einfach akzeptieren. Jeder weiß: Sie kann plötzlich den Nächsten treffen.
Durch angedrohte Absagen oder Selbsteinschränkungen der Gipfelteilnahme von Mexiko, Honduras, Argentinien, Bolivien und der karibischen ALBA- und CARICOM-Staaten wird die frühere Ankündigung des US-Außenministers Antony Blinken, der 19. Amerika-Gipfel würde der „inklusivste aller Zeiten“, unglaubwürdig. Das ist sicher kein seltenes Merkmal der US-Außenpolitik. Aber ihre Hegemonie in Lateinamerika bekommt weitere Risse. Mexikos Präsident López Obrador hat hinsichtlich der nationalen Souveränität, der Behinderung der nationalen Unabhängigkeit und Entwicklung durch internationale Firmen und Nichtregierungsorganisationen sowie der Nachrichtenmanipulation durch Medien bis hin zu Putschabsichten Positionen bezogen, die in ihren Begründungen denen der Regierungen von Nicaragua, Venezuela und Kuba sehr nahekommen. Davon weit entfernt, aber dennoch die Ausgrenzungspolitik der USA ablehnend, hat sich Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro geäußert.
Neben der Schwächung als Hegemonialmacht gegenüber Lateinamerika muss sich die US-Regierung um die heimische Wählerunterstützung sorgen, zum Beispiel in Florida, wo sicher mehr Exil-Gegner der Regierungen in Kuba, Nicaragua und Venezuela bei den bevorstehenden Wahlen gegen Joseph Bidens Demokratische Partei stimmen würden, wenn diese Länder am Gipfel teilnehmen könnten.
Die Amerika-Gipfel geben vor, der Demokratie, dem friedlichen Zusammenleben und dem freien Handel zu dienen. Aber die USA betreiben den Umsturz von gewählten Regierungen, boykottieren und verhängen einseitige Wirtschaftsembargos, finanzieren subversive Netzwerke von Nichtregierungsorganisationen gegen linke und progressive Regierungen, bemächtigen sich piratengleich des staatlichen Besitzes anderer Länder und Bürger durch „Sanktionen“, bei denen sie die eigentlichen Straftäter sind. Zudem proklamieren sie selbsternannte politische Desperados wie Juan Guaidó als Präsidenten einer real nicht existierenden „Interims-Regierung“ in Venezuela mit Sitz in der OEA oder angebliche Oppositionsführer, die ohne die – in Nicaragua trockengelegte – Finanzierung durch US-Agenturen politisch nicht existieren können.
Diesem „Demokratie“-Begriff fremd sind zwangsläufig Regierungen wie die in Nicaragua. Die jüngste Meinungsumfrage von „M+R Consultores“ zeigt für die Regierung Ortega bei zentralen Politikfeldern und sozialen Themen eine Zustimmung von dreiviertel oder mehr der Befragten an. Am dringendsten für die Befragten ist eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation, 80 Prozent trauen dies der FSLN-Regierung zu. 2007, als die FSLN-Regierung gerade wieder ins Amt kam, hätten 65 Prozent der Befragten das Land verlassen, wenn sie die Gelegenheit gehabt hätten. Anfang 2022 waren es 29 Prozent. Weniger als 1Prozent davon gab politische Probleme als Grund an. Die FSLN-Regierung subventioniert seit April die wöchentlichen Preiserhöhungen für Erdölprodukte, das heißt: Benzin, Diesel und Propangas werden im Endverkauf nicht teurer.