Politik brauche Mut, vieles anders zu machen, erklärte Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock, als sie ihre Kanzlerkandidatur bekannt gab. Derlei inhaltsleere Phrasen sind typisch für Mitglieder des „Forum of Young Global Leaders“ (YGL). Baerbock gehört zu diesem „exklusivsten privaten sozialen Netzwerk der Welt“ („Bloomberg Businessweek“).
Die Stiftung wurde 2004 vom Vorsitzenden des Weltwirtschaftsforums, Klaus Schwab, als Nachwuchsschmiede gegründet. Über die Hälfte der Mitglieder sind junge Wirtschaftsbosse, dazu gesellen sich Politiker, Schauspieler und andere Personen des öffentlichen Lebens. Wer „Young Global Leader“ werden möchte, darf nicht vor 1983 geboren sein, braucht Fürsprecher und muss fünf bis 15 Jahre lang durch herausragende Leistungen und Führungsqualitäten aufgefallen sein. Mögliche Kandidaten werden durchleuchtet und von zwei innerhalb des Verbands angesiedelten Komitees in einem acht Monate dauernden Prozess ausgewählt. Jahr für Jahr beginnen gut 100 „Young Leaders“ eine fünfjährige Ausbildung zur Ausbeutung. Deren Kernstück ist das „YGL Oxford University Executive Education Programme“. Es zielt darauf, „Führungskräfte für nuancierte Entscheidungsfindung vorzubereiten“, die in der heutigen Welt notwendig sei. „Das Modul“, vermeldet der Jahresbericht 2019/2020, „fordert Teilnehmer heraus, Leadership in dynamischen Umgebungen neu zu denken, während ihre Selbstverwirklichung gefördert wird.“
Darunter macht es der bourgeoise Sprössling von heute nicht. Wer sich fleißig Mehrwert aneignet, will schließlich auch zwischen Latte macchiato aus Sojamilch, Meditations-App und Yoga auf die Work-Life-Balance achten. Für die Einübung des großbürgerlichen Habitus gibt es neben Vorträgen renommierter Gastdozenten folgerichtig Shakespeare, „Führungskräfte-Übungen“ beim Dirigieren von Chören in jahrhundertealten Kirchen, Stechkahnfahrten und den fast 200 Jahre alten Debattierclub Oxford Union. Wer sich jetzt an altbackene Studentenverbindungen erinnert fühlt, liegt nicht ganz falsch. Dazu Kurt Tucholsky: „Der lächerliche Formelkram der Verbindungserziehung überträgt sich aufs Leben; diese ehemaligen Studenten sind später schwer imstande, das Wesen der Dinge zu sehen, weil sie vielzuviel mit den Formen zu tun haben.“
Zur Festigung neoliberaler Dogmen arbeitet das Forum mit der „Apolitical Academy“ zusammen, deren erklärte Mission es ist, „Vertrauen in öffentliche Institutionen wiederherzustellen und zu evidenzbasierter Führung des öffentlichen Sektors zu ermutigen“. Zu den Partnern dieser „Akademie“ gehören wiederum das Weltwirtschaftsforum, die Harvard Kennedy School und allerhand Stiftungen, die regelmäßig im Kosmos großbürgerlicher Mauschelei auffallen. Die Bourgeoisie bleibt gerne unter sich. Wer hinter verschlossenen Türen tagt, kann es sich leisten, Transparenz zu simulieren. Die „Young Global Leaders“ präsentieren sich mit viel nichtssagendem BWL-Sprech auf einer modern gestalteten Website und in den „sozialen Medien“. Auf unzähligen Bildern strahlen die Ausbeuter von morgen um die Wette, als könnten sie kein Wässerchen trüben. Annalena Baerbock hat das perfektioniert.