Ausstellung mit Fotos von Randolph Oechslein im brandenburgischen Lauchhammer

Am Webstuhl

Noch bis zum 7. August sind in der Weberei von Marion Baur im brandenburgischen Lauchhammer Fotos des Textilarbeiters und Fotografen Randolph Oechslein aus Hof zu sehen. Oechslein hat Marion Baur bei der Arbeit begleitet und sie im Bild festgehalten. Zur Vernissage, die bereits am 7. Juli stattfand, konnte er nicht anreisen. Seine Begrüßungsrede, die verlesen wurde, dokumentieren wir an dieser Stelle in Auszügen.

Die Ausstellung ist täglich von 8 bis 18 Uhr geöffnet: Weberei von Marion Baur, Rosenweg 2, Lauchhammer. Eine Anmeldung ist nicht Bedingung, aber hilfreich: 03574 4675651.

Begrüßungsrede zur Eröffnung der Ausstellung „Am Webstuhl“ in Lauchhammer:

Ein gewisser Friedrich Engels ist hier in Lauchhammer kein völlig Unbekannter. Das ist ermutigend und verlockend zugleich.

Ermutigend deshalb, weil von der Textilfabrik Ermen & Engels, 1837 in Manchester und Barmen gegründet, erkennbar ein Faden zu einer Handweberei in das Lauchhammer des Jahres 2023 verläuft. Textiler mit marxistischem Background sind immer, auch durch Zeit und Raum miteinander verbunden, zumal es bedauerlicherweise nicht viele von dieser Sorte gibt. Daher muss über die Farbe des Fadens, der zwischen Manchester, genauer Friedrich Engels und der Flaxmill Lauchhammer, genauer Marion Baur und Hermann Glaser-Baur gesponnen ist, nicht groß gerätselt werden.

Nebenbei bemerkt: Ein wahres Glück auch, dass dieser Friedrich Engels ein für damalige Verhältnisse sehr gut verdienender Textiler war. Seinem engstem Freund Karl fehlte ja beim Schreiben seines Hauptwerkes meistens das nötige Kapital, und er wäre womöglich darüber verhungert.

Verlockend ist es, sich bei einem Grußwort zur Eröffnung dieser Ausstellung ebenfalls bei besagtem Friedrich Engels eine Anleihe zu nehmen. Als er seinen Freund im März 1883 auf dem Londoner Highgate-Friedhof begrub, wies er auf eine von dessen höchst bedeutsamen Entdeckungen hin: Bevor die Menschen Politik, Wissenschaft, Kunst, Religion und anderes treiben, müssen sie zuerst Essen, Trinken, Wohnen und sich kleiden können. Marion Baur sorgt für die Kleidung. Hermann Glaser-Baur und alle, die hier mithelfen, sorgen für Essen und Getränke. Das ist die Basis, um Politik und Kunst treiben zu können, und ich wüsste keinen besseren Platz für meine Fotos als hier, in der Flaxmill in Lauchhammer.

Wenden wir uns der Kunst und der Politik zu. Ich möchte dazu Anna Seghers bemühen. Im Jahre 1938, auf der Flucht vor den deutschen Faschisten bereits im Exil, äußert sie in einem Brief an Georg Lukács folgenden Gedanken: „Lieber Lukács, beim Schaffen eines Kunstwerks, wie bei jeder menschlichen Aktion, ist das Maßgebende die Richtung auf die Realität…“
Die Realität des Jahres 2023 ist erschreckend und bedrohlich. Jedes fünfte Kind in diesem reichen Land wächst in Armut auf. Auf der anderen Seite ist kein „Wumms, Doppelwumms oder Sondervermögen“ zu groß, um es der notleidenden Rüstungsindustrie hinterherzuwerfen. Diese gesellschaftlichen Widersprüche kann Kunst nicht lösen. Uns aus dem Elend zu erlösen, können wir nur selber tun. Aber Kunst kann die Realität deutlicher und erkennbarer werden lassen, wie es Anna Seghers verlangt.

Im Jahre 1920, bei der Aufführung von Bertolt Brechts frühem Stück „Trommeln in der Nacht“, forderte er durch ein Plakat mit der Aufschrift „Glotzt nicht so romantisch“ sein Publikum auf, die „kulinarische“ Haltung des passiven Zusehens aufzugeben. Folgen wir also Bertolt Brechts Aufforderung. Nicht nur beim Betrachten dieser Bilder.

In der UZ vom 4. August blickt Randolph Oechslein zurück auf den Textilarbeiterstreik im sächsischen Crimmitschau.

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