Im kommenden Jahr wird die DKP ihren 26. Parteitag abhalten. In dessen Vorbereitung referierte der Parteivorsitzende, Patrik Köbele, auf der 5. PV-Tagung zur inhaltlichen Ausrichtung und Aufgabenstellung des Parteitags. Wir dokumentieren hier den entsprechenden Teil des Referats.
Wir haben lange über die Ausrichtung des kommenden Parteitags diskutiert. Eine erste Überlegung war, uns mit unseren Sozialismusvorstellungen zu beschäftigen. Es hätte natürlich einen gewissen Charme gehabt, angesichts des Hegemonieverlusts des Imperialismus und der überall spürbaren Verschärfung der allgemeinen Krise des Kapitalismus unsere Alternativvorstellungen darzulegen und deutlich zu machen, dass eine andere Gesellschaftsordnung nicht nur nötig, sondern auch möglich ist.
Auf der anderen Seite haben wir mit dem Parteitag und der 3. PV-Tagung unsere Analyse der internationalen Prozesse (nicht nur) im Imperialismus vorangetrieben. Wir haben entwickelt, dass der laufende Hegemonieverlust des Imperialismus in der Gesamtheit den deutschen Imperialismus dazu bringt, sich dem gemeinsamen Kampf des Imperialismus, der sich gegen die VR China richtet und derzeit vor allem das Bündnis von Russland und China im Visier hat, anzuschließen. Gleichzeitig versucht der deutsche Imperialismus, mit seiner bewussten Ein- und Unterordnung hinsichtlich des Kriegskurses von US-Imperialismus und NATO langfristig Boden im Konkurrenzkampf mit dem US-Imperialismus gutzumachen – dazu braucht er eine „deutsche“ EU. Und dazu verstrickt er sich derzeit in Widersprüche, die sich darin äußern, dass er einer industriellen Abwerbepolitik des US-Imperialismus wenig entgegensetzen kann und selbst gute Miene zum bösen Spiel machen muss, wenn „Freunde“ seine Energieversorgung in die Luft jagen. Mit der 4. PV-Tagung haben wir begonnen, die Analyse des deutschen Imperialismus und seiner Entwicklung fortzusetzen. Das haben wir keineswegs beendet und kamen trotzdem bereits zum Ergebnis, dass sich Entwicklungen vollziehen, die für die Arbeiterklasse und für andere nicht monopolistische Schichten und Klassen und deren Kampfbedingungen weitreichende Folgen haben und haben werden. Wir haben das bei der vergangenen PV-Tagung unter dem Stichwort „reaktionär-militaristischer Staatsumbau“ zusammengefasst. Diese Einschätzung können wir durch aktuelle Entwicklungen bestätigt sehen – dazu gehören sowohl das Riesenmanöver Steadfast Defender mit dem deutschen Teil Quadriga als auch die aktuell enthüllten Geheimpläne zur Aufstellung eines neuen Verteidigungsplans. Arnold Schölzel hat das gestern in der „jungen Welt“ kommentiert. Bei beiden ist kennzeichnend, dass großer Wert darauf gelegt wird, die Menschen in dieses Säbelrasseln zu integrieren. Das bestätigt aus unserer Sicht noch einmal, dass die derzeit vorhandene weitgehende Integration der Arbeiterbewegung in den Kurs der Herrschenden sowohl ein großer Vorteil des deutschen Imperialismus als auch dessen Achillesferse ist.
Dabei wissen wir, dass unsere Analyse noch lückenhaft ist. Dies betrifft in der Tiefe wirkende Prozesse, die politischen Trends und Erscheinungen zugrunde liegen. Da sind die Herausforderungen der schubhaften Entwicklung der Produktivkräfte, die die Monopole dazu zwingen, noch größere Kapitalmassen zu realisieren, um im Weltmaßstab konkurrenzfähig zu sein. Es sind daraus erwachsende Effekte der allgemeinen Krise, die dem bisherigen sogenannten neoliberalen Regime Grenzen setzen. Hier gilt es tiefer zu bohren – kein Arbeiten im Elfenbeinturm, sondern notwendige Analyse für unsere Politikentwicklung. Hier gilt es sachkundig Fragen zu beantworten. Ich nenne als Beispiel Stichworte wie „Energiesouveränität“ und „Datensouveränität“ – in beiden Bereichen hat der deutsche Imperialismus noch echte Probleme. Wie kann der deutsche Imperialismus sich aus Abhängigkeiten befreien? Was hat sich in der deutschen herrschenden Klasse getan? Welche Kapitalfraktionen haben die Hegemonie übernommen? Wie kann der deutsche Imperialismus – bei vorhandenen ökonomischen Problemen – imperialistische Extraprofite absichern, mit denen er Teile der Arbeiterklasse einbinden kann? Oder wird sich das Modell der Einbindung noch stärker von einem „korrumpierenden“ zu einem „unterdrückenden“ verändern? Welche militärischen Optionen sieht der deutsche Imperialismus, um langfristig aus dem Hintertreffen gegenüber dem US-Imperialismus herauszukommen, aber auch zu einer militärischen Dominanz gegenüber dem britischen und französischen Imperialismus zu gelangen? Wie kommt er an die Verfügung über Atomwaffen? Welche Rolle spielen Militärstrukturen auf EU-Ebene? Welche Rolle spielt die EU?
An diesen Fragen wollen wir in Vorbereitung des 26. Parteitags weiterarbeiten. Der dieser PV-Tagung vorgelegte Bildungszyklus soll diese kollektive Lernarbeit bis zum Parteitag im Jahr 2025 absichern. Wie gesagt: nicht in der Studierstube, sondern parallel zu den anstehenden Kämpfen.
Denn allen zu klärenden Fragen zum Trotz sind wir uns sicher, dass die Bestimmung unserer Hauptaufgabe – die Zurückdrängung der Integration der Arbeiterbewegung in den NATO-Kriegskurs sowie des Abwälzens der Kriegs- und Krisenlasten auf die Werktätigen – richtig ist und unser Handeln prägen muss.
Der jetzige Kurs der Herrschenden bringt Widersprüche hervor, die weitaus größere Teile der Bevölkerung in Widersprüche bringt als nur die Arbeiterklasse. Deutlich war das jetzt bei den Bauern, spürbar ist das bei Kleingewerbetreibenden und Handwerkern, aber auch bei Teilen der Intelligenz. Allerdings ist ein Riesenproblem, dass die Arbeiterklasse keineswegs führend in der Organisation des Widerstands ist, eher im Gegenteil. Das wiederum verhindert, dass die Arbeiterklasse und die Arbeiterbewegung quasi als Magneten auf andere Klassenkräfte wirken und eine klassenkämpferische Stoßrichtung in eine mögliche antimonopolistische Formierung bringen. Wir haben die widersprüchliche Situation, dass potenzielle antimonopolistische Bündnispartner der Arbeiterklasse diese an Widerständigkeit und Aktivität überholen – mit dem Ergebnis, dass andere ideologische und klassenmäßige Einflüsse das Vakuum ausfüllen, das die Arbeiterklasse hinterlässt.
Hier haben wir die Hauptaufgabe – die Zurückdrängung der Integration der Arbeiterbewegung in den Kurs des Abwälzens der Kriegs- und Krisenlasten – richtig bestimmt und müssen trotzdem in Richtung des Parteitags umfassender werden – uns also mit der Fragestellung befassen: Wie kann es in Zeiten des reaktionär-militaristischen Staatsumbaus gelingen, eine antimonopolistische Bewegung mit der Arbeiterklasse als Kern zu entwickeln?
Weiter sind wir uns sicher, dass diese mögliche Gegenbewegung als Kern eine stärkere Kommunistische Partei erfordert. Dies hat eine quantitative Seite: Wir brauchen mehr, vor allem junge Mitglieder und eine Verbesserung unserer Verankerung in der Arbeiterklasse. Die Stärke der Partei hat aber auch eine qualitative Seite. Zu Recht haben wir als Ziel für die MBNA formuliert, dass wir wieder stärker Kampfgemeinschaft und Heimat für die Mitglieder der Partei werden müssen. Kampfgemeinschaft meint einerseits, dass sich alle Genossinnen und Genossen aufgehoben fühlen müssen, durchaus auch mit ihren Problemen – den beruflichen, existenziellen und privaten. Kampfgemeinschaft meint aber auch, dass sich alle Genossinnen und Genossen bewusst in die Disziplin der Partei – in den Demokratischen Zentralismus als inneres Prinzip der Partei – einbringen müssen. Der Satz „Regel Nummer eins – jeder macht Seins“ steht in krassem Widerspruch dazu und scheint bei uns doch manchmal Einzug gehalten zu haben. Ganz ungewöhnlich ist das nicht. Die heutige Entwicklung der Produktivkräfte wird – zumindest unter kapitalistischen Rahmenbedingungen – massiv für Individualisierung, Vereinzelung und Auflösung kollektiven Zusammenwirkens in vielen Bereichen der Arbeit genutzt. Das wirkt dann auch auf uns ein. Hier brauchen wir die kollektive Verständigung darüber, dass sich das mit dem Wesen einer Kommunistischen Partei nicht vereinbaren lässt. Und wir brauchen als Ableitung aus dieser kollektiven Verständigung die bewusste individuelle Bereitschaft aller Mitglieder der Partei, sich in die Disziplin des Demokratischen Zentralismus einzubringen. Kernelemente des Demokratischen Zentralismus sind breite Diskussion, Beschlussfassung und bei Beschlüssen, die das Handeln betreffen, gemeinschaftliche, einheitliche Umsetzung, einheitliches Handeln. Im Widerspruch dazu stehen Einstellungen wie: „Ich stelle für mich individuell oder in kleinen Kollektiven fest: Die Diskussion war uns nicht breit genug, jetzt beteiligen wir uns auch nicht an der Umsetzung.“ Oder erst recht: „Der Beschluss passt mir nicht, da mache ich nicht mit“ und „Was jetzt für die Partei in der Gesamtheit wichtig und richtig ist, das entscheiden wir in unserer Gruppe vor Ort – begreift der Parteivorstand das nicht, dann hat er Pech gehabt, wir machen unser Ding.“
Aus all diesen Gründen kommen wir bezüglich der Hauptaufgaben des kommenden Parteitags zu folgendem Vorschlag:
Der Parteitag muss die Analyse der Entwicklung des Imperialismus, mit dem Schwerpunkt der Analyse der Entwicklung des deutschen Imperialismus, vorantreiben.
Der Parteitag muss festhalten, was unter diesen Umständen die Anforderungen an die Arbeiterbewegung als notwendiger Kern einer antimonopolistischen Bewegung sind.
Der Parteitag muss festhalten, wo dabei die Aufgabenstellung der Kommunistischen Partei liegt.
Der Parteitag muss Eckpunkte einer alternativen Entwicklung unseres Landes zur derzeitigen Aggressionspolitik nach innen und außen skizzieren. Eine mögliche, sich formierende antimonopolistische Bewegung braucht eine Zielsetzung unterhalb der (notwendigen) sozialistischen Revolution. Losungen in diese Richtung könnten sein: „Für eine Regierung des Friedens und des guten Verhältnisses zu Russland und China. Für eine Regierung gegen sozialen Kahlschlag und für den Wiederaufbau der Infrastruktur. Für eine Regierung der Abrüstung und der Demokratie für Alle.“ Dabei geht es uns nicht um Illusionen, sondern darum aufzuzeigen, dass in Deutschland eine Politik möglich ist, die die Ein- und Unterordnung in die Strategie des Imperialismus zurückdrängt.
Die drei letztgenannten Punkte müssen auch zu einer konkreten Handlungsorientierung führen, die der kommende Parteitag dann beschließt.
Hinsichtlich der Analyse gehen wir davon aus, dass wir bis zum Parteitag etliche Schritte vorangekommen sein werden – einige Überlegungen liegen ja auch mit der Vorlage der Bildungskommission vor. Trotzdem werden wir diesen Komplex mit dem Parteitag natürlich nicht abschließen können, weil wir uns ja auch mitten in einem Entwicklungsprozess befinden. Deshalb schlagen wir vor, dies beim Parteitag vor allem im Referat und der Generaldebatte zu beleuchten.
Das komplette Referat ist in „DKP-Intern“ veröffentlicht und kann im Mitgliederbereich auf dkp.de heruntergeladen werden.