Beschäftigte von Pflegeeinrichtungen im ganzen Bundesgebiet haben am 22. November mit ihrer Gewerkschaft ver.di die Forderung nach mehr Personal in der Altenpflege öffentlichkeitswirksam auf die Straße getragen. In Hamburg, Stuttgart, Recklinghausen, Moers am Niederrhein und anderen Städten fanden diese Aktionen statt, teilweise auch mit Unterstützung anderer Verbände oder Gewerkschaften. In Görlitz wurde die Solidarität deutlich: Unter den 200 Menschen, die das AWO-Zentralhospital in Görlitz mit einer Menschenkette umringten, waren auch Kolleginnen und Kollegen des von der Schließung bedrohten Siemens-Werks. Über den Hintergrund der Aktionen sprach die UZ mit Detlev Beyer-Peters.
UZ: Aus welchem Anlass habt ihr die Aktionen durchgeführt?
Detlev Beyer-Peters: Wir haben bewusst den Buß- und Bettag gewählt. Der Buß- und Bettag ist als Feiertag kassiert worden. Mit ihm zahlen alle Beschäftigten einseitig in die Pflegeversicherung ein. Die Unternehmen wurden entlastet. Das war ein Stück Umverteilung zugunsten der Unternehmen. Das haben wir als Anlass genommen für die bundesweite Aktion: Stark für die Altenpflege.
UZ: Wie sah die Aktion aus?
Detlev Beyer-Peters: Wir wollten mit der Aktion ein Signal geben in die Altenpflegeheime hinein. Es ging darum, mit Menschenketten und auch mit einer virtuellen Menschenkette auf die Probleme hinzuweisen, die den Problemen des Pflegepersonals in den Krankenhäusern ähnlich sind.
UZ: Wer hat die Aktionen getragen?
Detlev Beyer-Peters: Die Aktion ist durchgeführt worden vom ver.di-Bundesfachbereich 3, Gesundheit und Soziales. Die Idee ist von vielen Betriebsräten von Altenpflegeeinrichtungen aufgegriffen worden, die sich unterschiedlich in die Aktion eingebracht haben.
UZ: Wie war die Stimmung in den Betrieben?
Detlev Beyer-Peters: Wir haben bei ver.di das Problem, dass es schwieriger ist als im Vergleich zu den Krankenhäusern, die Kolleginnen und Kollegen zu motivieren, um für ihre Interessen aktiv zu werden. Für den Großteil der Beschäftigten wird noch häufiger die Auffassung vertreten. dass die Interessen der Bewohner an erster Stelle stehen, selbst wenn man bei der Arbeit fast draufgeht.
Wir hatten daher noch einige Schwierigkeiten mit der Mobilisierung und begreifen daher diesen Tag als Auftakt für Aktionen, die in den nächsten Jahren fortgesetzt werden sollen. Wir wollen die Kolleginnen ermutigen, verstärkt für ihre Interessen lautstark und öffentlichkeitswirksam einzutreten.
UZ: Du hast die Forderungen von ver.di für einen „Tarifvertrag Entlastung“ im Gesundheitswesen ja schon angesprochen: Welche Gemeinsamkeiten siehst du bei der Auseinandersetzung?
Detlev Beyer-Peters: Die Erkenntnis ist gewachsen, dass wir in der Altenpflege eine Regelung für die Mindestbesetzung auf den Stationen brauchen, dass die Kolleginnen vor Überlastungen wie Überstunden, Schichtwechsel, kurze Wechsel und anderem geschützt werden müssen.
Das sind viele Gemeinsamkeiten. Aber in der Altenpflege kommt hinzu, dass es immer weniger Tarifbindungen gibt, so dass es für uns wesentlich schwieriger ist, solche Regelungen mit Tarifverträgen absichern, wie es beispielsweise im Öffentlichen Dienst möglich wäre. Hinzu kommt, dass viele Altenpflegeeinrichtungen einen kirchlichen Sozialverband als Träger haben, wo es nach wie vor sehr schwierig ist, tarifvertragliche Lösungen zu finden.
UZ: Wie geht es jetzt für euch weiter?
Detlev Beyer-Peters: Wir wollen künftig jedes Jahr ähnliche Aktionen zum Buß- und Bettag durchführen. Damit wollen wir auch auf die unhaltbare Personalsituation in den Pflegeeinrichtungen hinweisen, übrigens auch auf die Situation bei den ambulanten Pflegediensten, wo wir wesentlich schlechter verankert sind. Wir gehen da zukünftig von einer deutlich steigenden Zahl von Aktivitäten aus.
Die Homepage von ver.di gibt einen guten Überblick, was jetzt geschehen ist. Es ist noch nicht sehr viel, aber spürbar, und die Medien haben vielerorts positiv über den Aktionstag berichtet. Und Mut macht auch, dass die Kolleginnen und Kollegen eine hohe Bereitschaft bewiesen haben, sich dort, wo Aktionen vorbereitet worden sind, sich auch daran zu beteiligen.
Es ist noch eine niederschwellige Aktion, aber wir sind zuversichtlich, dass wir in Zukunft noch eine Menge mehr bewegen können.