Manaf Saleh zum Umgang Israels mit den Menschen in Gaza – vor dem 7. Oktober 2023

Alte Kolonialmanier

Manaf Saleh

Der erste Jahrestag des Überraschungsangriffs der Hamas und ihrer Verbündeter auf Israel am 7. Oktober 2023 hat viel mediale Aufmerksamkeit bekommen. Über Israels Umgang mit den Palästinensern vor jenem Tag hingegen halten bürgerliche Medien sich bedeckt. Diese Vorgeschichte beleuchtete Manaf Saleh, der für die DKP zur EU-Wahl 2024 kandidiert hatte, in seiner Rede auf einer Kundgebung des Palästina-Bündnisses Bonn am 7. Oktober. Wir dokumentieren seine Rede in voller Länge:

Ich möchte über einen Tag reden, der in den Medien wenig Aufmerksamkeit bekommt: den 6. Oktober 2023. Ich möchte darüber reden, wie die Lebensrealität der damals mehr als zwei Millionen Einwohner Gazas am 6. Oktober aussah.

Wie also war die Situation im Gazastreifen?

Die Antwort ist: Sie war unerträglich!

Nachdem die Besatzung des Gazastreifens aufgrund des palästinensischen Widerstands zu verlustreich und teuer wurde, zog Israel 2005 seine Militärbasen und Siedlungen ab. Seit 2007 verwandelte Israel den Gazastreifen in ein Freiluftgefängnis, wobei das einzige Verbrechen seiner Insassen war, in Palästina geboren zu sein.

Israel verhängte eine Land-, Luft- und Seeblockade des am dichtesten besiedelten Gebiets der Erde, in dem 70 Prozent der Bewohner Flüchtlinge sind, also aus anderen Teilen Palästinas in den Gazastreifen vertrieben wurden.

Wobei die Ernährungsbedürfnisse der Bevölkerung des Gazastreifens in Kalorien pro Person berechnet und die von der israelischen Regierung eingeführten Nahrungsmittel mengenmäßig so bemessen wurden, dass sie gerade ausreichten, um die Bevölkerung auf einem Niveau nahe der Hungersnot zu halten. Die Aussage mehrerer israelischer Beamter, dass sie die Bevölkerung des Gazastreifens „auf Diät setzen“ würden, dokumentiert das.

Palästinensischen Fischern war es nicht erlaubt, weiter als sechs Meilen hinaus zu fahren, um Fischen zu können, ohne von der israelischen Marine beschossen zu werden.

Die Arbeitslosigkeit lag bei 46 Prozent.

Die Bevölkerung war permanent dem Lärm der israelischen Drohnen ausgesetzt, die den Gazastreifen überwachten.

Nicht einmal der Strand bot Erholung und Ablenkung, denn aufgrund der Blockade fehlte die Energie, um die Kläranlagen zu betreiben, so dass die Stadtwerke gezwungen waren, die Abwässer direkt ins Meer zu leiten.

Der internationale Flughafen Gazas wurde schon im Jahr 2002 von Israel zerstört.

Auf friedliche Proteste, den „großen Marsch der Rückkehr“ – wöchentliche Proteste am Grenzzaun zwischen März 2018 und Dezember 2019 – reagierte Israel, in dem es gezielt Protestierende durch Schüsse auf Gliedmaßen verkrüppelte. Im Interview mit der Zeitung „Haaretz“ prahlten israelische Scharfschützen mit der Anzahl getroffener Kniescheiben von Protestierenden, woraus sie einen sportlichen Wettbewerb machten. Die Bilanz: 214 Getötete und 36.100 Verletzte, viele davon verkrüppelt.

Seit seiner Gründung besteht Israels einzige Methode der Konfliktlösung darin, in alter Kolonialmanier willkürlich so viele Menschen der gegnerischen Bevölkerung zu töten, bis diese sich seinen Regeln unterwirft, egal wie ungerecht und menschenunwürdig sie auch sein mögen.

Die Menschen in Palästina und im Libanon sind aber nicht mehr bereit, sich mit dieser Gleichung abzufinden. Ganz gleich, wie brutal Israel vorgeht: Die Menschen der Region fordern Gerechtigkeit, und Israel wird sich dieses Mal nicht mehr aus der Situation herausmorden können. Der Zionismus ist an seine Grenzen geraten, an der seine Widersprüche nicht mehr durch Blutströme überdeckt werden können. Frieden kann es nur durch Gerechtigkeit geben, in einem post-zionistischen Palästina für alle Menschen, unabhängig von ihrer Abstammung oder Religion, frei von Apartheid, Genozid und Besatzung.

Freiheit für Palästina! Freiheit für Libanon! Hoch die internationale Solidarität!

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"Alte Kolonialmanier", UZ vom 18. Oktober 2024



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