Bundesregierung verweigert armen Haushalten Unterstützung. Das ist verfassungswidrig

Almosen helfen nicht beim Heizen

Wenn eine Rentnerin froh ist, für vier Wochen in die Klinik zu kommen, weil sie in diesem Monat nicht heizen muss, dann stimmt etwas nicht in diesem Land. Gudrun W. erzählte genau das einem Reporter des „Deutschlandfunks“, während sie in einer Schlange vor der Tafel in Berlin-Charlottenburg wartete. Sie bekommt 700 Euro Rente und bezieht Wohngeld. Damit könnte sie den geplanten Energiekostenzuschuss der Bundesregierung bekommen.

Einpersonenhaushalte mit Wohngeldberechtigung sollen einmalig 135 Euro bekommen, Zweipersonenhaushalte 175 Euro. Die gestiegenen Energiekosten von Gudrun W. wird das trotz Krankenhausaufenthalt nicht decken. „Das ist viel zu wenig“, urteilt sie. Leer gehen bisher Hartz-IV-Bezieherinnen und -Bezieher und Menschen mit Altersgrundsicherung aus. Das ist verfassungswidrig. Der Referent für Arbeitslosen- und Sozialrecht Harald Thomé erinnert in seinem aktuellen Newsletter an ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Juli 2014, das dem Gesetzgeber im Fall von extremen Preissteigerungen eine kurzfristige Anpassung der Grundsicherung vorgeschrieben hat. In dem Urteil heißt es wörtlich: „Ist eine existenzgefährdende Unterdeckung durch unvermittelt auftretende, extreme Preissteigerungen nicht auszuschließen, darf der Gesetzgeber dabei nicht auf die reguläre Fortschreibung der Regelbedarfsstufen warten.“

Das Vergleichsportal Verivox geht bei Gas von einem Anstieg von durchschnittlich 54 Prozent aus. Haushalte, die noch mit Öl heizen, müssen demnach etwa 99 Prozent mehr ausgeben. Sozialverbände und Verbraucherschützer fordern angesichts dieser Zahlen unisono eine deutlich höhere Unterstützung für arme Haushalte. Die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) fordert einen einmaligen Zuschuss von mindestens 500 Euro. Zudem sollen Strom- und Gassperren für zahlungsunfähige Haushalte bis Ende April ausgesetzt werden. Der Paritätische Gesamtverband fordert einen Inflationsausgleich von 100 Euro monatlich für arme Haushalte.

Die DKP hat eine Kampagne für einen gesetzlichen Energiepreisstopp gestartet. „Die Preissteigerungen bedrohen akut Millionen Familien und Kleinbetriebe in ihrer Existenz. Die Ursache dieser Preissteigerungen sind Spekulationen der Energiekonzerne und die Pleiten kleinerer Stromlieferanten, die das Risiko voll auf ihre Beschäftigten und die Verbraucher abwälzen“, erklärte Patrik Köbele, Vorsitzender der DKP. „Da nutzen keine Almosen, da muss der Staat in die Verfügungsgewalt der Energiekonzerne eingreifen. Ein gesetzlicher Preisstopp ist der Anfang – die Überführung der Energieversorgung in öffentliches Eigentum notwendig“, so Köbele.

Beides sind Ziele der Kampagne der DKP, für die online und auf der Straße Unterschriften gesammelt werden. Sie muss jetzt bekannt und stark gemacht werden!

Unterschriftenlisten zum Download und einen Link zur Online-Petition gibt es hier:
www.energiepreisstopp-jetzt.de

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"Almosen helfen nicht beim Heizen", UZ vom 21. Januar 2022



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