Tim Laumann zum neuen Postgesetz – Teil 2: Demagogie statt Zustellung

Alles sichergestellt?

Tim Laumann

Das Bundeskabinett hat am 20. Dezember einen vom Wirtschaftsministerium vorgelegten Entwurf eines „Postrechtsmodernisierungsgesetzes“ (PostModG) gebilligt. Tim Laumann erklärt in einer mehrteiligen Serie, was das neue Postgesetz bringt. Teil 2:

Unter Paragraph 3 werden im Entwurf des Wirtschaftsministeriums zur Änderung des Postgesetzes die Regulierungsziele aufgeführt. Es beginnt mit einer Festschreibung des Zustandes der Privatisierung: „Die Regulierung des Postsektors ist eine hoheitliche Aufgabe des Bundes“. Real heißt es aber selbst im für die Privatisierung verunstalteten Grundgesetz: „Nach Maßgabe eines Bundesgesetzes, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, gewährleistet der Bund im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen.“ (Grundgesetz Art. 87f (1))

Die im Grundgesetz festgehaltene Gewährleistung wird also in „Regulierung“ umgeändert. Dazu heißt es weiter: „Hoheitsaufgaben im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation werden in bundeseigener Verwaltung ausgeführt“ (Grundgesetz Art. 87f (2)). Hier wird eine Verpflichtung des Gesetzgebers deutlich abgeschwächt. Dabei passiert inhaltlich nichts Neues. Als Ziel der Regulierung wird die „Sicherstellung einer flächendeckenden Grundversorgung mit Postdienstleistungen zu erschwinglichen Preisen (Universaldienst)“ bezeichnet.

Tatsächlich stellt der Entwurf an keiner Stelle sicher, dass dieser Universaldienst auch erbracht wird. In Paragraph 16 wird definiert, dass sich die Unternehmen dazu bereit erklären, durch eine solche Erklärung aber auch davon zurücktreten. Paragraph 27 ermöglicht es der Bundesnetzagentur, ein Unternehmen zur Erbringung der Universaldienstleistung zu zwingen – allerdings sind keine Durchsetzungsmöglichkeiten vorgegeben. Würde zum Beispiel der DHL-Konzern seine Sparte P&P-Deutschland (Post und Paket Deutschland, dazu gehört die Deutsche Post AG) auflösen oder diese ausgliedern, dann geht der Bundesnetzagentur der Verhandlungspartner verloren. Selbst wenn sie wollte, könnte sie nichts tun.

Im Kommentar des Referentenentwurfs heißt es dazu lapidar: „An diese Rechtslage“, dass die Absicht, den Universaldienst nicht weiter verfolgen zu wollen, sechs Monate im Voraus der Bundesnetzagentur angekündigt werden muss, „knüpft die neue Regelung an, indem die Deutsche Post AG, die bisher den Universaldienst erbringt, auch in Zukunft zu dessen Erbringung verpflichtet ist, solange sie der Bundesnetzagentur nicht mitteilt, dass sie die Leistungen in Zukunft nicht mehr, nicht mehr in vollem Umfang oder zu ungünstigeren Bedingungen anbieten will.“ (Referentenentwurf, Seite 110).

Diese Flanke gegenüber einem internationalen Konzern bewusst offenzuhalten, heißt, diesem die Möglichkeit zu geben, selbst auf Kosten der Postzustellung in der Bundesrepublik diesen Markt zu verlassen. Eine Regulierung von Privatkonzernen ist eben nicht gleichzusetzen mit einer Sicherstellung von Dienstleistungen.

Tatsächlich wird im Entwurf zum neuen Postgesetz häufig von „Sicherstellung“ gesprochen: Die Universaldienstleistung, ein chancengleicher und funktionsfähiger Wettbewerb, die Wahrung und Interessen der Kunden, Ökologie, angemessene und sichere Arbeitsbedingungen, die öffentliche Sicherheit und das Postgeheimnis sowie Vorsorge in Krisen- und Katastrophenfällen (alles Paragraph 3 PostModG). Also: Alles sicher mit dem neuen Postgesetz? Wie wir oben schon gesehen haben: Nein.

Abschnitt 2, Paragraphen 16-26 definiert den Universaldienst. Hier müsste zum Vergleich die seit 1999 geltende Postuniversaldienstleistungsverordnung (PUDLV) herangezogen werden. Die Verordnung ist deutlich genauer als der Referentenentwurf, zum Beispiel ist hier in Paragraph 1 eine Definition des Universaldienstes vorgenommen, der gegenüber dem Paragraph 16 des neuen Gesetzesentwurfs deutlicher und konkreter ist. Außerdem werden hier viele der Briefvarianten als verpflichtend erklärt, die im neuen Entwurf schlicht fehlen: Einschreibesendungen, Nachnahmesendungen und Eilsendungen (PUDLV Paragraph 1 (2), 1, 2 und 4) tauchen im neuen Entwurf nicht mehr auf. Konkret könnten also entsprechende Varianten aus dem Programm gestrichen werden, die Qualität würde leiden, und auch die Möglichkeit, Sendungen nachzuverfolgen.

Schlussendlich sinkt damit auch der Aufwand, neue Kräfte einzulernen. Wenn die Produktvielfalt sinkt, sinkt der Wert der Ware Arbeitskraft. Man braucht also weniger und weniger gut ausgebildete Postboten für den neuen Universaldienst.

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