Zu den türkischen Angriffen auf Irak

Alles Selbstverteidigung

Zwölf türkische Soldaten starben in Angriffen der PKK auf ihre Stützpunkte – im Irak. Die türkische Luftwaffe schlug umgehend zurück. Stützpunkte, Infrastruktur, selbst Ölanlagen im Irak und in Syrien wurden angegriffen. Wie es üblich ist, berief sich das türkische Verteidigungsministerium zur Rechtfertigung der Angriffe auf „Selbstverteidigung“. Eine fragwürdige Selbstverteidigung, wenn man dabei Teile eines fremden Staatsgebiets illegal besetzt hält.

Seit Jahren greift das türkische Militär immer wieder Ziele in Syrien und im Irak an, besetzt Teile dieser Länder und unterhält militärische Stützpunkte. Freilich hat es die irakische Regierung mittlerweile aufgegeben, gegen diese Angriffe lautstark zu protestieren. Zuletzt hatte im Oktober der irakische Präsident Abdul-Latif Rashid mit wenig Nachdruck erklärt, der Irak lehne die wiederholten türkischen Luftangriffe oder die Anwesenheit türkischer Stützpunkte in seiner Region Kurdistan ab.

Neben der Berufung auf „Selbstverteidigung“ kennt der türkische Präsident Recep Tayyep Erdogan noch einen weiteren Weg, die Angriffe in Syrien und dem Irak vergessen zu machen. Er macht sich wieder einmal zum Fürsprecher der palästinensischen Sache. „Wie unterscheidet sich Netanjahu von Hitler?“ fragte Erdogan bei einer Verleihung von Wissenschaftspreisen in Ankara.

Netanjahu, der sich als Vertreter der Besatzungsmacht seinerseits mit einem fragwürdigen Recht auf Selbstverteidigung auskennt, wies den Vergleich prompt zurück und warf wiederum Erdogan einen Genozid an den Kurden vor. Und zugleich greift auch Israel – wie die Türkei – seit Jahren Ziele in Syrien an, vor allem in Aleppo und Damaskus.

Für Erdogan ist der Streit eine Win-win-Situation. Sowohl die Angriffe auf die Kurden wie auch die harsche Kritik an Netanjahu – neben dem Hitler-Vergleich sprach er auch schon vom „Schlächter von Gaza“ – kommen bei seinen Anhängern gut an.

Angesichts der Wirtschaftskrise mit einer Inflationsrate von mehr als 50 Prozent pro Jahr hat Erdogan Unterstützung bitter nötig. Um die Inflation zu begrenzen, ließ die Chefin der türkischen Zentralbank, Hafize Gaye Erkan, den Leitzins innerhalb eines halben Jahres auf das nahezu Vierfache erhöhen: von 8,5 Prozent auf 40 Prozent.

Ob es hilft, ist nicht gesichert. Die regionale Großmachtpolitik hat ihren Preis. Und Erdogans Zickzackkurs zwischen Ost und West schafft noch nicht das nötige Vertrauen bei westlichen Investoren.

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"Alles Selbstverteidigung", UZ vom 5. Januar 2024



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