Der Zustand der SPD steht dem Kommentator gnadenlos vor Augen, der für die UZ am Dienstag einen Text schreibt und sich unsicher ist, was davon am Freitag noch Bestand haben könnte. Die extrem kurzen Verfallzeiten von politischer Aussagen und das Personalgeschacher kann eine Wochenzeitung derzeit kaum aktuell abbilden oder kommentieren.
Die Parteiführung wirkt wie eine Rotte Borstenviecher, die sich im Kampf um die Tröge gnadenlos über den Haufen rennen. Die Sieger von heute sind die Sündenböcke und Bauernopfer von morgen, was sich allerdings übermorgen wieder ändern kann. Strategie ist anders.
In den letzten 20 Jahren hat die SPD die Hälfte ihrer Mitglieder und 40 Prozent ihrer Wähler verloren. Die Jusos machen für diese tiefe Krise zu Recht die Agenda 2010 verantwortlich. Ihr Lösungsansatz: „Die deutsche Sozialdemokratie muss sich in allererster Linie inhaltlich neu aufstellen – und das sehr grundsätzlich. Eine Abkehr von fehlgeleiteten Konzepten der Vergangenheit und ein radikaler Bruch mit der programmatischen Grundausrichtung der letzten 20 Jahre sind dafür unausweichlich.“
Würde sich dieser Kurs innerhalb der SPD durchsetzen, böte er tatsächlich die Chance, eine Re-Sozialdemokratisierung der SPD einzuleiten und dieser Partei zu mehr Akzeptanz bei der arbeitenden Bevölkerung zu verhelfen. Ein Startschuss dazu könnte ein „Nein“ der SPD-Mitglieder zum Koalitionsvertrag sein.
Die amtierenden Größen der Partei stapfen hingegen fest in den Spuren des „Genossen der Bosse“ und Begründers der Agenda 2010, Gerhard Schröder. Bläst das Vaterland oder das deutsche Kapital zur Rettung von Profiten, steht die SPD verlässlich bereit für die Weiterführung von Sozial- und Demokratieabbau, Ausweitung der Waffenexporte und mehr deutsche Kriegseinsätze. Wer diese Politik fortführt, ist dann zweitrangig.