Tsipras ist zurückgetreten, Ende September finden Neuwahlen statt, der linke Flügel von Syriza hat sich abgespalten. Die Umgruppierung in der griechischen Parteienlandschaft geht weiter, Griechenland bleibt politisch instabil. In der Fernsehansprache, in der Alexis Tsipras am 20. August seinen Rücktritt erklärt hatte, blickte er auch auf die Verhandlungen zurück, die seine Regierung im vergangenen halben Jahr mit den „Institutionen“ geführt hatte. Sie habe zwar nicht alles erreicht, was sie wollte, das Ergebnis sei jedoch unter den gegebenen Bedingungen „ganz in Ordnung“.
Der Ausverkauf griechischen Staatseigentums geht jedenfalls seinen geordneten Gang. Die deutsche Fraport AG erhielt den Zuschlag, um 14 griechische Regionalflughäfen zu betreiben. Für 1,23 Milliarden Euro erwarb der Konzern eine Konzession über 40 Jahre, also bis 2055. Damit kontrolliert Fraport nun unter anderem den zweitgrößten Flughafen Griechenlands, den Makedonia-Airport in Thessaloniki, und weitere Flughäfen auf Rhodos, auf Korfu, Mykonos, Skiathos, Kos, Heraklion und Chania auf Kreta. Weitere 30 Flughäfen waren ebenfalls im Angebot – kleine Flughäfen, die für die Versorgung der Inseln wichtig sind, aber keinen Gewinn abwerfen – Fraport lehnte also eine Übernahme ab. Die Griechische Kommunistische Partei (KKE) geht davon aus, dass die Privatisierung zu einer Preissteigerung bei Flugreisen führen wird und dass sich die Lage der Beschäftigten verschlechtern wird.
Fraport, die von der Übernahme profitiert, ist mehrheitlich in öffentlichem Eigentum: Hauptaktionäre sind die Stadt Frankfurt (Schwarz-Grüne Koalition und ein SPD-Oberbürgermeister) mit 20 Prozent und das Land Hessen (ebenfalls schwarz-grün regiert) mit 31,3 Prozent. Weitere 8,4 Prozent der Anteile hält die Lufthansa.
Die Zahl der Passagiere, die über die von Fraport erworbenen Flughäfen reisen, stieg 2014 um 20 Prozent auf mehr als 22 Millionen. Die Passagierzahlen erhöhten sich im vergangenen Jahr bei einigen Flughäfen um rund 14 Prozent. Die Lufthansa Consulting, die als „Zuarbeiter“ mit dem Privatisierungsfonds TAIPED zusammenarbeitet, spricht deshalb von „wirtschaftlicher Lukrativität“. Der Wirtschaftsforscher Alexander Kritikos warnte dagegen vor einem vorschnellen Ausverkauf – denn bei dem jetzt gezahlten Preis würden die Flughäfen unter Wert verkauft. Nur wenige Tage nach diesem dezenten Hinweis griff Fraport zu.
Für eventuelle Zweifler im griechischen Parlament wurde das Geschäft schmackhaft gemacht: 22 Millionen Euro würde Fraport pro Jahr an Miete zahlen, und in den ersten vier Jahren würden 314 Millionen Euro in die Flughäfen investiert. Die Börse reagierte schnell: Die Fraport-Aktie stieg leicht im Wert. Für diejenigen im Regierungslager, die noch immer daran zweifeln, dass Privatisierungen die wirtschaftlichen Probleme Griechenlands lösen können, biete das Abkommen kosmetische Zugeständnisse: Der griechische Staat könnte Minderheitsaktionär bleiben. Und das wäre dann ja kein totaler Ausverkauf. Die Vereinigung YPA, ein Zusammenschluss von Gewerkschaften, kündigte an, vor griechischen Gerichten und auch vor der Wettbewerbskommission der EU juristisch gegen den Ausverkauf vorzugehen.
In der Vereinbarung zwischen der griechischen Regierung und den Gläubigern war die Rede davon, dass die jetzt laufenden Privatisierungen 50 Milliarden Euro in die griechische Staatskasse bringen solle – schon jetzt ist klar, dass das Tafelsilber des Staatseigentums für weit weniger verscherbelt werden wird.
Welche Regierung den Ausverkauf und die von den Gläubigern diktierte Politik des Ausverkaufs und der Verelendung ab Oktober weiter umsetzen wird ist unklar. Nach aktuellen Umfragen kann Syriza auf 34 Prozent der Stimmen hoffen und wäre damit wieder stärkste Partei. Die Unterstützung für Tsipras ist also nicht mehr so groß wie vor einigen Monaten, als Syriza bei Umfragen extrem viel Zustimmung erhielt, es ist aber wahrscheinlich, dass Tsipras Ministerpräsident bleibt. Den Umfragen zufolge ist unsicher, ob die linke Syriza-Abspaltung „Volkseinheit“ (Laiki Enotita, LAE) überhaupt die Dreiprozenthürde überwinden und ins Parlament einziehen kann. Allerdings hatte sich zuletzt beim Referendum im Juli gezeigt, dass die Prognosen der etablierten Meinungsforscher sehr ungenau blieben, die Umfragen hatten den klaren Sieg des Oxi nicht vorausgesehen.
Die KKE war in den vergangenen Jahren von vielen Linken dafür kritisiert worden, dass sie einem Regierungsbündnis mit Syriza von vorneherein eine Absage erteilt hatte. Sie sieht sich jedoch durch die Erfahrungen mit der Syriza-Anel-Regierung im vergangenen halben Jahr bestätigt: Die gegen die werktätigen Klassen und Schichten gerichteten Regierungen – „unter welcher Bezeichnung auch immer, ob ‚zweckgebunden‘, ‚links‘ oder ‚rettungsorientiert‘, führen zur Insolvenz des Volkes“, erklärte der Generalsekretär der KKE, Dimitris Koutsoumpas, nach der Ankündigung von Neuwahlen. Auch die linke Syriza-Abspaltung sieht die KKE nicht als möglichen Bündnispartner an. Diese Gruppe sei ein Hindernis für die weitere Radikalisierung des Bewusstseins der Menschen. Denn die „Volkseinheit“ tritt zwar für eine Ausstieg aus dem Euro ein – aber nicht dafür, die kapitalistische Ordnung grundsätzlich in Frage zu stellen.