Alles bleibt beim Alten

Vincent Cziesla zur Reform der Grundsteuer B

Kürzlich urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass die Bemessung der Grundsteuer auf Basis der sogenannten „Einheitswerte“ von 1964 verfassungswidrig ist. Das klingt zunächst einmal vielversprechend. Viele Grundstücke, die vor 50 Jahren noch als wertlos galten, liegen heute in teuren Szenevierteln und urbanen Zentren. Weil diese Wertverschiebung in der Grundsteuerpraxis unberücksichtigt blieb, zahlten zahlreiche Grundstückseigentümer zu geringe Steuern für ihre Immobilien in Luxuslage. Eine zielgerichtete Grundsteuerreform könnte nun also zusätzliches Geld in die Kassen der chronisch unterfinanzierten Kommunen spülen. Die Debatte darüber scheint jedoch beendet zu sein, bevor sie überhaupt richtig begonnen hat. „Unter dem Strich“, so war in vielen Zeitungen zu lesen, soll das Steueraufkommen nämlich nicht erhöht werden. Das Signal: Alles bleibt beim Alten; nur rechtlich einwandfrei und auch irgendwie gerechter soll es werden.

Doch wie diese neue „Gerechtigkeit“ aussehen soll, ist vollkommen unklar. Bisher ist jedenfalls nicht die Rede davon, dass die Umlagefähigkeit der Grundsteuer auf die Mietkosten gekippt werden soll. Das wäre aber dringend notwendig, denn „unter dem Strich“ belastet die Grundsteuer B vor allem Mieter und kleine Hausbesitzer und führt zu sozialen Spannungen in den Kommunen. Die Gemeinden lieferten sich in den vergangenen Jahren einen regelrechten Überbietungswettbewerb bei den Grundsteuerhebesätzen. Das wird sich auch in Zukunft „unter dem Strich“ nicht ändern, wenn der neuen Grundsteuer nicht auch eine solide Gemeindefinanzierung zur Seite gestellt wird.

Was ist von der ganzen Grundsteuerdebatte also überhaupt zu erwarten? Ein Gedankenexperiment: Wenn die Einheitswerte angepasst und Mehreinnahmen „unter dem Strich“ vermieden werden sollen, dann steigen die Grundsteuerabgaben in den Regionen, in denen es einen starken Anstieg der Grundstückspreise gegeben hat. Dort wo die Mieten schon hoch sind, wird es also teurer. Umgekehrt brechen den Kommunen dort Einnahmen weg, wo sowieso schon Leerstand und Armut herrschen. Beiden Entwicklungen wirken die Gemeinden dann durch eine Anpassung der Hebesätze entgegen, sofern sie überhaupt noch Spielraum dafür haben. Die politische Fahrlässigkeit derer, die es nicht anders wollen, soll also von denen aufgefangen werden, die es nicht anders können. Dann bleibt ja „unter dem Strich“ alles beim Alten.

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"Alles bleibt beim Alten", UZ vom 20. April 2018



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