Im vergangenen Oktober erschien mit „Rolex für alle“ das sechste Album des Hamburger Rappers Disarstar. Mit insgesamt 13 Tracks beweist Disarstar, dass er nun ganz oben im Rapgame angekommen ist, er stieg direkt auf Platz 7 der deutschen Album-Charts. „Rolex für alle“ bietet ein hohes Produktionsniveau – was nicht weiter verwunderlich ist, da es von The Cratez produziert wurde, auch tätig für Whiz Kalifa, Sido, Juju oder Capital Bra. Trotz der Etablierung in der Szene bleibt Disarstar seiner politisch antikapitalistischen Linie treu wie noch nie, was nach den weichgewaschenen Lyrics der vorher erschienenen Microdose-EP nicht zu erwarten war. Der eigene Weg zum Erfolg, das sich daraus ergebende Privileg, Armut, der Verfall in seinem Viertel und der Hass auf die Oberschicht ziehen sich als zentrale Themen durch. Inhaltlich darf man keine tiefgehenden marxistischen Analysen erwarten, es bleibt bei einfachen antikapitalistischen Takes, die auf gezielte, wütende Art die Zustände und Fehler innerhalb des Systems beschreiben und damit anschlussfähig sind.
Innerhalb des Albums liebäugelt Disarstar mit der Ästhetik der RAF, beschreibt seine Texte als solche, „die sich lesen wie ’n RAF-Bekennerschreiben“ und schmückt sich und seine Songs mit Auszügen aus ebendiesen. Wobei dies politisch kritisch zu betrachten ist, führt es zu der einen oder anderen genialen Line, wie aus dem Song „Alle broke“ mit „Enteignet das Geld der Bänker, special Treatments/Im Hanns-Martin-Schleyer-Wellness-Center“. Die Härte von Disarstars Worten lässt sich erklären, wenn man betrachtet, wer als Mitautor des Albums auftritt: Als Texter des Songs findet man Halil Simsek, bekannt als das Gesicht der linksradikalen Gruppe „Roter Aufbau Hamburg“, bei der Disarstar selbst zeitweise aktiv war.
Im Interview mit dem „Front-stage Magazine“ äußert sich Disarstar dazu so: „Allen Vorbehalten gegen diese Art von Gewalt zum Trotz: Ich finde Militanz und Radikalität auch angebracht. Alles andere als extreme Wut auf diese Zustände ist doch zynisch.“
Musikalisch überzeugen die Songs mit dunklem Drill-Sound und Trap Beats und wirken so wie eine Konkretisierung des Stils vom letzten Album „Deutscher Oktober“. „Supergirl“ fällt aus diesem Muster heraus als schwächster Song des Albums und erzeugt den Anschein, als hätte es noch eine „relatable“ Ballade gebraucht, um das Album kommerziell erfolgreicher zu gestalten, aber irgendwo muss man ja Abstriche machen. Mit „Rolex für alle“ schafft es Disarstar, die Wut über die herrschenden Zustände mit Inhalt zu füllen und bietet der HipHop-Welt eine gelungene antikapitalistische Agitationsmöglichkeit.
Dieser Text erschien zuerst in der POSITION – Magazin der SDAJ, erhältlich unter uzshop.de
Disarstar: „Rolex für alle“
Geht es nach denen, dann könnt es nicht anders sein (ey)
Dabei ist das ganze Problem
Marktwirtschaft, Lohnarbeit und Wettkampf in einem kranken System (yeah)
Digga, sie reden von Armut
Aber erleben sie nie
Doch wenn sie Panzer exportieren, geht es um Demokratie
Ich bin kein bisschen entspannt (nein)
Ich bin militant, denn die einen fliegen ins All
Und die anderen sammeln im Viertel Pfand (ey)
Als wär’ es naturgegeben, als ob der Mensch eben so sei
Neun von zehn, die ich kenne, sind gut
Aber jeder von uns muss sehen, wo er bleibt
Ich bin nicht gegen Ferrari, ich bin für Ferrari für alle
Medizin, Bildung, Essen und Dach über’m Kopf bar auf die Kralle
Alles für alle (ey), alle für alle (ey),
alles für alle
Ich bin für alle für vor allem