Vom „Ort der Revanche“ zum Ort der „allerletzten Versöhnung“ wollten der französische Präsident Emmanuel Macron und die deutschen Kanzlerin Angela Merkel die Gedenkstätte in Compiègne machen, wo am 11. November 1918 der Waffenstillstand unterzeichnet und damit der Erste Weltkrieg beendet worden war. Überhaupt war „Versöhnung“ das Mantra, mit dem das Gedenken der Regierungschefs die historischen Tatsachen verkleisterte.
Dass der Krieg aus der kapitalistischen Jagd nach Profiten hervorging und dass es die revolutionären Bewegungen in Europa waren, die den Frieden erkämpften, kam nicht vor. Macron warnte vor einem wiedererwachenden Imperialismus – und meinte damit die Politik des russischen Präsidenten Putin. Kurt Baumann zeigt in dieser „UZ“ (Seite 9), wie die Propagandisten der Monopole den 100. Jahrestag der Novemberrevolution genutzt haben, um mit ihrer Sicht auf die Geschichte Politik für heute zu machen.
Merkel verkündete, der Gedenktag in Compiègne sei „nicht nur Mahnung, er ist auch Ansporn“. Tatsächlich fühlen sich die deutschen und französischen Imperialisten angespornt, ihre Interessen gemeinsam in der EU durchzusetzen. Das drückte sich darin aus, dass Merkel und Macron sich vom alten Revanchismus und der zerstörerischen Rivalität zwischen Deutschland und Frankreich distanzierten.
Gleichzeitig forderte Macron eine „wahre europäische Armee“, „Europa“ müsse sich „verteidigen“ – „mit Blick auf China, auf Russland und sogar auf die Vereinigten Staaten“.
Deren Präsident Donald Trump reagierte zunächst beleidigt, bis Macron ihm versicherte, dass auch er mehr Geld aus den EU-Ländern für NATO-Kriegs- und Rüstungspläne ausgeben wolle.
Bei aller Versöhnung: Paris und Berlin streiten über den Weg, um die EU aufzurüsten. Das zeigt eine Analyse des Dienstes „German Foreign Policy“ in dieser „UZ“ (Seite 7).